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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Das Prinzip, nach welchem die Regelung des Gemeindesteuerwesens erfolgt, ist ein anderes als jenes, das der Besteuerung in Reich und Staat zugrunde liegt. „Ein Teil der Ausgaben der Gemeinden gereicht“, heisst es in der amtlichen Denkschrift, welche von Miquel seinen Entwürfen zur Staats- und Gemeindesteuerreform beigegeben wurde, „gewiss allen Einwohnern mehr oder weniger gleichmässig zum Vorteil; ein anderer Teil der Ausgaben kommt aber ganz oder überwiegend den mit der Gemeinde untrennbar verbundenen Objekten – Grund- und Hausbesitz und Gewerbebetrieb – zugute und erhöht deren Wert oder wird durch sie veranlasst“. Als Gemeindesteuern werden sich darum, meint die Denkschrift, neben allgemeinen Steuern besondere Grund-, Gebäude-, Gewerbesteuern als richtig erweisen.

Nach den solcher Art formulierten Grundsätzen ist die Reform des Gemeindeabgabenwesens in Preussen erfolgt, und wieder hat diese preussische Reform ihre Wirkung auf die anderen Bundesstaaten nicht verfehlt, zumal ja die Reform der Staatssteuern, die gewisse Rückwirkungen auf das Gemeindeabgabenwesen üben musste, sich gleichfalls überall fast nach einem Schema vollzog. Allerdings haben die Gemeindesteuersysteme mehr Widerstandskraft gegen die neueren Refombestrebungen gezeigt und sind infolgedessen von grösserer Verschiedenheit als die Steuersysteme der Einzelstaaten.

In Preussen beruht das Abgabenwesen der Kommunen auf dem Kommunalabgabengesetz v. 14. VII. 1893 und auf Novellen von 1895 und 1906. Die direkten Steuern spielen auch hier wie im Staate die ausschlaggebende Rolle. Auf sie entfallen in den grossen Städten ungefähr 9/10, in den kleineren eher noch mehr der gesamten durch Gemeindeabgaben aufgebrachten Summe. Innerhalb der direkten Steuern werden aber fast 2/8 durch die Zuschläge zur staatlichen Einkommensteuer aufgebracht.

Das steuerfreie Existenzminimum ist bei der Gemeindeeinkommensteuer tiefer angesetzt, bei 420 Mk. gegenüber den 900 Mk. der Staatssteuer. In kleineren Stadtgemeinden wird sie in der Tat „so tief herunter“ erhoben, die grösseren Städte lassen sie in der Regel bei 600 Mk. beginnen.

Neben den Zuschlägen zur Einkommensteuer gelangen Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern auf Grund staatlicher Veranlagung zur Erhebung. Um das Verhältnis derselben zur Einkommensteuer angemessen zu gestalten, ist bestimmt, dass diese Realsteuern mindestens zu den gleichen und höchstens zu um die Hälfte höheren Prozenten der Veranlagungssätze zu erheben sind als Zuschläge zur Staatseinkommensteuer verordnet werden. Abweichungen von dieser Vorschrift bedürfen der obrigkeitlichen Genehmigung.

Von anderen direkten Steuern werden in den preussischen Gemeinden Wirtschaftskonzessions- und Umsatzsteuern vom Immobiliarverkehr erhoben; die Verbrauchssteuern, die ihnen mit Ausnahme solcher auf Fleisch, Mehl, Backwerk, Kartoffeln und Brennstoffen gestattet sind, spielen – auch für die Biersteuer gilt das, die nach dem Reichsbrausteuergesetz von 1909 65 Pfennig pro hl Vollbier für Rechnung der Gemeinden nicht übersteigen darf – eine sehr geringe Rolle, weiterhin kommen noch Hunde- und Pferdesteuern, sowie Lustbarkeitssteuern in Betracht.

In den drei grössten preussischen Städten, Berlin, Köln, Breslau gestalten sich die Verhältnisse[1] folgendermassen. Es betrugen im Rechnungsjahr 1913 die gemeindlichen Steuerzuschläge zur staatlichen Einkommensteuer

in für Einkommen von über 900 Mark
Berlin 100
Köln 155
Breslau 164

Von je 1000 Mark Gemeindesteuern entfielen auf die

Einkommensteuer Grund- und
Gebäudesteuer
Gewerbesteuer Umsatzsteuer Verbrauchssteuer Lustbarkeits-
steuer
Berlin 453 303 157 44 10 13
Köln 552 198 138 44 13 29
Breslau 554 250 104 32 18 24

  1. Vgl. die vom Statistischen Amt der Stadt Elberfeld herausgegebenen Aufstellungen über „Die Gemeindesteuern des Jahres 1913 in den preußischen Grossstädten usw.“
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/116&oldid=- (Version vom 11.9.2021)