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der andere die Einführung einer allgemeinen Vermögens- oder einer Vermögenszuwachssteuer und ein dritter etwa eine Erhöhung und Vermehrung der Verkehrssteuern. Aber die unklare Forderung musste, um für die Finanzen verwertbar zu werden, eine klare reale Gestalt, erhalten. Die Entwürfe der Reichsregierung und die Beschlüsse des Reichstages haben ihr diese gegeben. Als jene Forderung nach einer Besitzsteuer auftrat, ahnte man nicht, welch gewaltigen einmaligen und fortdauernden Bedarf schon die nächste Zeit bringen würde. So ist es nicht eine Besitzsteuer, sondern es sind mehrere Steuern auf die wohlhabenden, besitzenden Klassen geworden, mittels deren man dem Bedarf gerecht zu werden bestrebt war. Sie alle aber erfüllen das Ziel, das wohl in jenem unklaren Worte sich aussprach, sie alle liegen auf Vermögen und Erwerb.

Für die finanzwissenschaftliche Beurteilung ist aber der einmalige Wehrbeitrag von der sog. Besitzteuer und den anderen neuen Steuern trennen.

Der Wehrbeitrag ist seinem Wesen nach teils Vermögens-, teils Einkommensteuer, in beiden Fällen mit Progression. Für die volkswirtschaftliche Wirkung der Steuer ist es nun von grosser Bedeutung, ob sie aus den laufenden Einnahmen bestritten werden kann, oder ob das Vermögen selbst angegriffen werden muss.

Von der Steuer vom Einkommen wird man trotz der starken Progression unbedenklich das erstere annehmen dürfen. Sie beträgt beispielsweise bei 8000 Mk. Einkommen 80 Mk. bei 45 000 Mk. Einkommen 1350, bei 450 000 Mk. 31 500. Die Steuerleistung verteilt sich aber auf 3 Jahre, so dass tatsächlich in jedem Jahr nur ein Drittel des Steuerbetrages fällig ist. Die Besteuerung wirkt also so, als ob beim ersten Beispiel etwa 0,34, beim zweiten 1, beim dritten 2⅓ v. H. in jedem der drei Jahre zu entrichten wäre. Das mag dem Betroffenen im Zusammenhalt mit den anderen staatlichen und kommunalen Steuern sehr unbequem sein, aber die Beträge lassen sich aus dem Einkommen bestreiten, ohne dass der Besteuerte in seiner Lebenshaltung beengt wird oder gar das Vermögen angreifen muss.

Nicht ganz so einfach ist die Frage zu beantworten, ob der Wehrbeitrag vom Vermögen eine reelle oder nur eine nominelle Vermögenssteuer sei, d. h. ob zu seiner Begleichung das Vermögen selbst herangezogen werden muss oder ob er aus dessen Ertrag bestritten werden kann. Man wird aber, von besonderen Ausnahmefällen abgesehen, das letztere annehmen dürfen. Die Steuer beträgt, um ein Beispiel zu geben, bei einem Vermögen von 40 000 Mk. – unter der Voraussetzung also, dass daneben kein unfundiertes Einkommen vorhanden ist – 0,15 v. H. also 60 Mk. Nimmt man an, dass das Vermögen eine Jahresrente von 4% gewährt, so wären 60 Mk. Steuern von 1000 Mk. Rente zu geben, also etwa 4% der Rente. Da sich aber die Steuerentrichtung auf drei Jahre verteilt, so beträgt sie, unter der Annahme, dass Vermögen und Rente die gleichen bleiben, jährlich 1⅓ v. H. der Rente. Bei einem Vermögen von 400 000 Mk. wäre die Rente 16 000 Mk., die Steuer 2140 oder jährlich 713,33 Mk. oder 13,5 bezw. 4,4 v. H. Bei dem Nebeneinanderbestehen von beitragspflichtigem Einkommen und Vermögen liegen die Verhältnisse ähnlich. Hat jemand z. B. ein Einkommen von 40 000 und ein Vermögen von 300 000 Mk. angegeben, so werden zunächst von dem Einkommen 5 v. H. des Vermögens also 15 000 Mk. als Ertrag des Vermögens in Abzug gebracht; die restigen 25 000 Mk. gelten als unfundiertes Einkommen. Die Steuer ist also von 300 000 Mk. Vermögen und 25 000 Mk. Einkommen zu entrichten. Die erstere beträgt 1450, die letztere 400 Mk., der ganze Wehrbeitrag also 1850 oder jährlich 617 Mk., die aus dem jährlichen Gesamteinkommen wohl bestritten werden können, ohne dass das Vermögen selbst angegriffen zu werden braucht.

Es soll aber nicht in Abrede gestellt werden, dass Fälle möglich sind, in denen der Wehrbeitrag teilweise aus dem Vermögen selbst entrichtet werden muss; so wenn die Rente eine geringe ist, oder wenn das Vermögen in den 3 Jahren sich verringert. Allerdings sucht das Gesetz solchen unerwünschten Folgen vorzubeugen, indem es bestimmt, dass bei Einkommen von nicht mehr als 2000 Mk. 50 000, bei solchen von 2–4000 Mk. 30 000 Mk. Vermögen steuerfrei bleiben, und durch die andere Vorschrift, dass, wenn sich das Einkommen zwischen der Erhebung des ersten und des zweiten oder letzten Drittels des Wehrbeitrages um mindestens 40 v. H. vermindert hat, dann auf Antrag eine entsprechende Ermässigung der späteren Beitragsteile zu gewähren sei.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/132&oldid=- (Version vom 12.9.2021)