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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

höheren Leistungsfähigkeit, d. h. seinem grösseren freien Einkommen entsprechenden Zusatzsteuer zu unterwerfen sei.

Auch die Vermögenssteuer wird bei steigendem Bedarf der Einzelstaaten in höherem Masse als bisher in Anspruch zu nehmen sein. Zwar rechtfertigen sich bei einer nominellen und die Einkommensteuer nur ergänzenden Vermögenssteuer mässige Sätze; aber die niedrigen Sätze der preussischen Vermögenssteuer erklären sich doch nur aus der begreiflichen Tatsache, dass man bei ihrer Einführung so vorsichtig und schonend wie möglich vorgehen wollte. Es liesse sich aber, solange die Einkommensteuer sich in mässigen Sätzen und schwacher Progression bewegt, eine stärkere Anspannung der Vermögenssteuer wohl verteidigen. Auch ein progressiver Steuerfuss wäre zu rechtfertigen. Gewiss soll in der nominellen Vermögenssteuer neben der Einkommensteuer nur der Besitz, ausgedrückt in Geldwerten, getroffen, sein Ertrag dagegen in den Sätzen der Einkommensteuer differenzierend erfasst werden; aber es ist doch kaum zweifelhaft, dass, je grösser der Besitz, um so grösser auch die Sicherheit des Einkommensbezuges und um so grösser die Leistungsfähigkeit. Namentlich bei grossen Vermögen könnte eine progressive Besteuerung ein Äquivalent bieten gegenüber der doch im ganzen ungenügenden Progression der Einkommensteuer. Spätere Reformen werden auch an der Frage nicht vorübergehen können, ob es berechtigt ist, das bewegliche Nutzvermögen, wie es heute grundsätzlich der Fall ist, von der Steuer auszunehmen. Der Ausschluss desselben hat den Vorteil, dass die Veranlagung wesentlich vereinfacht wird. Aber es ist ein Widerspruch, das unbewegliche Nutzvermögen, also Wohngebäude, Gärten, Parks, obwohl auch diese nur dem persönlichen Genuss dienen, der Steuer zu unterstellen, das bewegliche dagegen nicht. Je grösser Wohlstand und Reichtum sind, um so grösser und wertvoller pflegt auch der Besitz an kostbarem Hausgeräte, an Schmuck, Sammlungen u. dergl. zu sein. Dieser Besitz entzieht sich bei Lebzeiten des Besitzers jeglicher Besteuerung, während die weniger Begüterten ihre Ersparnisse doch vorwiegend nutzbringend anzulegen veranlasst sind und diese damit sowohl unter die Vermögens- wie unter die Einkommensteuer fallen. Natürlich müssten Wohnungseinrichtungen und Gebrauchsgegenstände geringeren Wertes, etwa im Gesamtbetrag von 10 000 M., von der Steuer befreit bleiben. Dass die Veranlagung Belästigungen und auch Schwierigkeiten böte, ist nicht zu bezweifeln; doch dürfen diese auch nicht überschätzt werden. Je mehr der Staat die Leistungsfähigkeit seiner Angehörigen nur mittels der Einkommen- und Vermögenssteuer erfasst, um so notwendiger wird es, diese möglichst genau der Leistungsfähigkeit anzupassen.

Nur noch ein paar Worte bezüglich der Kommunalbesteuerung.

Fast in gleichem Masse wie das Reich leiden die Kommunalkörper unter dem Mangel an Elastizität und Beweglichkeit ihres Steuerwesens. Namentlich da, wo sie auf Zuschläge zu den Staatssteuern angewiesen sind. Die Bereitwilligkeit Steuern zu zahlen, an sich nur wenig entwickelt, wird auf eine harte Probe gestellt, wenn zu den Staatssteuern noch 200 Proz. und mehr Gemeindesteuern eingefordert werden. Es ist begreiflich, dass alle Parteien, mit Ausnahme der Sozialdemokraten, deren Wähler davon zumeist nicht berührt werden, sich schwer entschliessen, die Gemeindezuschläge um 5, 10 oder gar 20 Prozent und mehr in die Höhe zu treiben. Umso begreiflicher als in den Gemeindevertretungen doch die Majorität in der Regel von Angehörigen des Mittelstandes gebildet wird, dem das Steuerzahlen besonders schwer fällt. Die Folge ist dann eine nicht immer gerechtfertigte Mehrung des Schuldenwesens, indem Ausgaben, die bei richtiger Finanzwirtschaft auf Steuern übernommen werden sollten, namentlich im Bauwesen, durch Anleihen bestritten werden, oder das Unterlassen von Ausgaben und eine kleinliche, schliesslich sich rächende Gemeindepolitik. Wenn viele Gemeindevertretungen es z. B. unterlassen, rechtzeitig ihren Grundbesitz zu vermehren, so trägt daran, abgesehen von Verständnislosigkeit und manchesterlicher Prinzipienreiterei, doch in erster Linie die Furcht die Schuld, die Gemeindelasten vorübergehend zu vermehren. In Deutschland kommt dazu, dass Staat und Reich, eifersüchtig auf ihre finanziellen Rechte und ängstlich darauf bedacht, sich selbst möglichst viele Einnahmequellen zu sichern, den Gemeinden gelegentlich auch solche Einnahmen versperren oder verkümmern, die für diese besonders geeignet wären. Es sei nur an den Zugriff des Reiches auf die Zuwachssteuer erinnert, obwohl, wie oben bereits betont wurde, der Zusammenhang zwischen Bodenwertzuwachs und Gemeindeentwicklung fraglos ungleich stärker und nachweisbarer ist als der zwischen Bodenwertzuwachs

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/155&oldid=- (Version vom 14.9.2021)