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zuzuzählen, da sie uneinlösbar sind und ein Zwang zu ihrer Annahme im Privatverkehr nicht stattfindet. Dagegen werden sie (§ 5 aaO) bei allen Kassen des Reichs und sämtlicher Bundesstaaten nach ihrem Nennwerte in Zahlung angenommen (Steuerfundation) und von der Reichshauptkasse für Rechnung des Reichs jederzeit auf Erfordern gegen baares Geld eingelöst. Auch gelten sie als Teil des Barvorrats im Sinne des § 17 des Reichsbankgesetzes vom 14. März 1875. (R.G.Bl. S. 177).

Sie wurden ursprünglich in Höhe von 5, 20 und 50 Mark ausgegeben.[1] Durch Ges. v. 5. Juni 1906 (R.G.Bl. S. 730) wurden sodann, um den durch Gesetz v. 20. 2. 1906 (R.G.Bl. S. 318) neu geschaffenen kleinen Banknoten von 20 und 50 Mark keine Konkurrenz zu bereiten, an Stelle der alten Reichskassenscheine neue Scheine zu 5 und 10 Mark ausgegeben (nach Bundesratsbeschluss v. 28. 6. 1906 30 Mill. M. 5 M.- und 90 Mill. M. 10 M.-Scheine).

Neuerdings findet auf Grund des Reichsgesetzes v. 3. 7. 1913 eine Vermehrung der Reichskassenscheine um 120 Mill. M. statt. Bisher ist indessen nur ein Teil dieser Scheine ausgegeben. Gegenwärtig (Dez. 1912) sind im Umlauf: 5 M.-Scheine: 41,5 Mill., 10 M.-Scheine: 150,9 Mill., 20 M.-Scheine: 0,7 Mill., 50 M.-Scheine: 0,9 Mill. Zus. 195 Mill. M. Das Staatspapiergeld wird voraussichtlich erst im Falle eines Krieges wieder eine Rolle zu spielen haben (sog. Darlehnskassenschein-Ges. v. 21. 7. 1870).

2. Schwebende Staatsschulden.

Die Schwebenden Schulden beruhen auf dem Gedanken und der praktischen Erfahrung, dass in einem grossen Finanzwesen vielfach die Eingänge der im Budget vorgesehenen Einnahmen später erfolgen, als die daraus zu deckenden Ausgaben notwendig werden, und dass die Betriebsfonds der Kassen (eiserne Bestände) zu grosse Summen und damit einen zu grossen Zinsverlust verursachen würden, wenn man lediglich aus ihnen den notwendigen zeitlichen Ausgleich herbeiführen wollte. Daraus geht zugleich hervor, welche grosse Bedeutung eine einheitliche wohlgeleitete Kassenverwaltung, ein möglichst viel Bargeld sparender Zahlungsverkehr indirekt auf die Niedrighaltung der schwebenden Schuld ausüben kann. Das vollkommenste System stellt, unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, das englische und belgische dar, wo die Nationalbank zugleich als Staatskasse fungiert, wo alle Staatseinnahmen von dieser vereinnahmt, alle Ausgaben von ihr geleistet werden. Bei uns im Reiche ist die Reichshauptkasse zwar auch nur eine besondere Buchhalterei der Reichsbank. Doch bestehen daneben noch eine Anzahl Sonderkassen, deren Kassenfonds nicht durch die Bücher und Kassen der Reichsbank gehen, sondern die nur von den Reichshauptkassen nach Bedarf mit Geldmitteln ausgestattet werden und ihre Überschüsse an sie abführen (Generalmilitärkasse, Legationskasse usw.).

Infolge des Bedarfs dieser von der Reichshauptkasse zu versorgenden Sonderkassen und auch für die Zwecke etwaiger Vorschüsse an die Landeskassen für die von ihnen auf Rechnung des Reichs geführten Verwaltungen sind heute immer noch Betriebsfonds (Eiserne Bestände) in Höhe von 132,6 Mill. M. (Ende 1911) in den Reichskassen nötig.

Auch in Preussen und den anderen Bundesstaaten sind zwar die Staatskassen meist an die Reichsbank und die Privatnotenbank des betr. Landes, (Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden) angeschlossen. Bei der Vielzahl von Kassen sind aber trotz Durchführung des Prinzips der Kasseneinheit im allgemeinen auch hier noch erhebliche Betriebsfonds erforderlich z. B. in Preussen etwa 140 Mill. M.

All’ diese Betriebsfonds können schon ihrer Natur nach nur für die nötigsten normalen Bedürfnisse der Kassenverwaltung ausreichen.

Sobald dagegen ein ausserordentlicher Bedarf eintritt, wie er z. B. in Reiche hervorgerufen wird durch erforderlich werdende Ausgaben des noch nicht genehmigten ausserordentl. Etats, durch Nachtragsetats, durch eine – in früheren Jahren üblich gewesene – Stundung eines Teiles der nichtgedeckten Matrikularumlagen, Nichtgenehmigung von Steuervorlagen,


  1. Infolge des Reichsges. v. 21. 7. 84 (R.G.Bl. 172) wurden die mit Datum v. 11. 7. 74 ausgefertigten Reichskassenscheine eingezogen und neue ausgefertigt.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/163&oldid=- (Version vom 14.9.2021)