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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

zu 3% erfolgte im Jahre 1903 zu dem noch annehmbaren Emissionskurse von 91,39%, was einem Realzins von 3,28% entsprach. Dann aber musste man definitiv zum 3½%igen Kurse zurückkehren. 1904 half man sich zunächst mit 100 Mill. langfristigen zu 3½% verzinslichen Schatzanweisungen (Kurs 99,50, Realzins 3,52). Dann folgten 1905 360 Mill. u. 1906 260 Mill. 3½% Reichsanleihe zu 100,46 bezw. 99,38% Kurs d. h. zu 3,48 bezw. 3,52% Realzins.

Aber auch damit kam man auf die Dauer nicht aus. So sehr sich die Reichsregierung und der preussische Finanzminister gegen den Gedanken, zum 4% Typ wieder zurückzukehren, den man seit 1886 verlassen und nur einmal in 1900 in beschränktem Masse wieder hervorgeholt hatte, sträubten, die Verhältnisse des Marktes erwiesen sich als stärker.

1907 gab man im Reiche zum ersten Male zunächst 5jährige Schatzanweisungen (200 Mill.) zu 4% aus, die bei einem Begebungskurse von 98% einen Realzins von 4,08% trugen. (Übernahmeprovision 1%.) Die Verhältnisse entwickelten sich weiter ungünstig. Das Ende des Jahres 1907 brachte eine von Amerika ausgehende starke wirtschaftliche Störung des gesamten Kapitalmarktes. So musste man bei der infolge der Reichsfinanznöte unumgänglich nötigen 250 Mill.-Anleihe im April 1908 nunmehr zum 4%igen Typ übergehen und dabei noch die Unkündbarkeit bis 1918 aussprechen. In Preussen hatte man die Fiktion einer nur vorübergehenden Massnahme anfangs Januar bei Ausgabe einer Anleihe von 210 Mill. noch dadurch festzuhalten gesucht, dass man diese Anleihe nur für 10 Jahre bis zum 1. April 1918 mit 4% Nominalzins ausstattete, während an diesem Tage der Zins ohne weiteres auf 3¾% und vom 1. April 1923 auf 3½ zurückgehen sollte. (System der sog. gleitenden Skala, „Staffelanleihe“.) Die weiter im April 1908 notwendige 400 Mill. Anleihe wurde dagegen ebenso wie im Reiche zu 4% unkündbar bis 1918 aufgenommen.

Die ferneren Anleihen im Reich von 1909 und 1910 sind ebenso wie in Preussen (Reich 3. 5. 09 160 Mill. u. 5. 2. 10 340 Mill. M. Preussen: 270 bezw. 170 Mill. M.) nach dem gleichen Typ (4%, bis 1918 unkündbar) emittiert.

Die allerneueste gemeinsame Emission aus Anfang 1912 (Preussen 420 Millionen, das Reich 80 Mill. M.) in 4%igem ebenfalls bis 1918 unkündbarem Typ erzielte einen Zeichnungspreis von 101,20 M. für Stücke, die unter Sperrung bis 15. Jan. 1913 in d. Reichs- oder Staatsschuldbuch eingetragen werden, für sonstige Stücke 101,40 M. pro 100 M. Nennwert. – Für 1913 musste man den Gläubigern aber erheblich weiter entgegenkommen. Im März 1913 mussten für 50 Mill. 4% Schuldverschreibungen, Unkündbarkeit bis 1925, im Juni für weitere 50 Mill. sogar bis 1935 zugesichert werden. Dabei betrug der Zinsfusszins nur 98,40 bezw. 98,60 und im Juni nur noch 97,70 bezw. 97,90 %.

Was die Schuldentilgung anbelangt, so hatten die ersten Anleihen des Norddeutschen Bundes noch an der Zwangstilgung festgehalten. Die Anleihe, welche durch R. G. v. G. 11. 67 (RGBl. S. 157) bis zur Höhe von 10 Mill. Thl. = 30 Mill. M. für Marine- u. Heereszwecke genehmigt wurde, gewährte den Inhabern der Schuldverschreibungen zwar kein Kündigungsrecht, ordnete aber eine gesetzliche Zwangstilgung von mindestens 1% des Schuldkapitals unter Zurechnung der ersparten Zinsen vom Jahre 1873 ab an. Verstärkte Tilgung oder gänzliche Rückzahlung mit 6monatl. Kündigungsfrist war zugelassen. Die Tilgung hatte durch Ankauf oder, wenn die Anleihe pari und darüber stand, durch Auslosung zu erfolgen.

Infolge der preuss. Konsolidierungs-Gesetzgebung von 1869 und des hier grundsätzlich eingeführten Prinzips der freien Tilgung wurde auch für die genannte Reichsanleihe die Zwangstilgung aufgehoben und bestimmt, dass der jährliche Bundesetat die Höhe der Tilgungsmittel zu bestimmen habe: R. G. v. 6. 4. 70 (RGBl. S. 65). Ähnlich R. G. v. 21. Juli 1870 (RGBl. S. 491) v. 29. Nov. 1870 (RGBl. S. 620) u. v. 26. April 1871 (RGBl. S. 91).

Die Rückzahlung der Kriegsanleihen erfolgte trotzdem in der Hauptsache bald und zwar aus den Geldern der Kriegskontribution (R.G. v. 28. 10. 71 RGBl. S. 343).

Solange sich die Reichsschuld auf einem verhältnismässig geringen Stande hielt, konnte man über das Nichtvorhandensein jeglicher Tilgung hinwegsehen. Als aber seit Ausgang der 80er Jahre die Vermehrung der Reichsschuld ein rapides Tempo anzunehmen begann und der Schuldenzinsendienst von Jahr zu Jahr stärker auf das Budget drückte, begann bei der Regierung wie

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/170&oldid=- (Version vom 15.9.2021)