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auf welche Weise der Staat dasselbe am zweckmässigsten gewinnen könnte. Nach dem Beispiel der mittelalterlichen Stadtrepubliken sah man als bestes Mittel hierzu den Handel mit günstiger Bilanz an, d. h. den internationalen Handel, welcher an das Ausland Waren in höherem Werte verkaufte als er von demselben kaufte, sodass das Inland die Differenz in barem Gelde ausgezahlt erhielt. Es schien daher notwendig viel zu produzieren, um viel ins Ausland verkaufen zu können. Auch hielt man es für wünschenswert die Herstellung möglichst kostbarer Gegenstände zu fördern, die leichter zu exportieren waren und höheren Gewinn in Aussicht stellten. Das Gewerbe glaubte man besonders begünstigen zu müssen, weil die Landwirtschaft bei der natürlichen Begrenzung des anbaufähigen Bodens nur wenig erweiterungsfähig schien. Nach aussen also sollte der Staat wie ein einzelner Kaufmann zwar möglichst wenig und billig kaufen, dagegen möglichst viel und teuer verkaufen. Zu diesem Zwecke wurde für den Aussenhandel die Förderung der Ausfuhr durch Prämien, und vor allem aber die Behinderung der Einfuhr durch hohe Schutzzölle und Verbote als die geeignetsten Mittel empfohlen. Ergänzt und unterstützt sollte diese Politik im Innern durch eine strenge Gewerbeordnung, durch finanzielle Beihilfen und Privilegien werden, mit denen man die Gewerbe künstlich zur Blüte bringen und in diejenigen Bahnen leiten zu können glaubte, die für eine günstige Handelsbilanz am zweckmässigsten schienen.

2. Die merkantilistischen Schriftsteller, a) in Italien, b) in England, c) in Frankreich, d) in Deutschland.

Aus der grossen Zahl der Schriftsteller, welche im 17. Jahrhundert in ihren volkswirtschaftlichen Werken die merkantilistischen Anschauungen vertreten haben, können hier nur die bedeutendsten erwähnt werden:

a) Vor allem sind von Italienern zu nennen Antonio Serra, (Breve tratato delle cause de possono far absondare li regni d’oro e d’argento, dove non sono miniere, Napoli 1613.) Er findet die Bedingungen des Volkswohlstandes in folgenden Quellen: Einmal in einer grossen Bodenfruchtbarkeit, die nicht nur den Bedarf des inländischen Konsums befriedigt, sondern sogar einen Ueberschuss an landwirtschaftlichen Produkten für den Export erzielt; ferner in einem umfassenden internationalen Handel mit freier Einfuhr der Rohmaterialien für die Gewerbe im Inlande, dagegen hohen Einfuhrzöllen auf fertige Waren, um deren Herstellung im Inlande zu begünstigen und zu verhindern, dass durch den Einkauf im Auslande Geld hinausgeschickt werde. Endlich in der Förderung der Industrie von Kunst und Luxuswaren, welche teuer an das Ausland verkauft werden können, um durch sie Gold und Silber in das Land zu bringen. – Die Grundlagen der merkantilistischen Handelsbilanzlehre finden sich ferner bei Antonio Broggia (Tratati dei Tributi e delle monete 1743) und schliesslich bei Antonio Genovesi (Legioni di Commerzio e di economia civile 1743), der sich jedoch schon von den stärksten Einseitigkeiten des Merkantilismus frei gemacht hat.

b) Als bedeutendste Schriftsteller der merkantilistischen Richtung in England sind Francis Baco von Verulam (Essays moral, economical and political, London 1597 bozw. 1625), und Thomas Mun (Englands treasure by foreign trade etc. 1664) zu nennen. Ersterer ist ein strenger Anhänger der Handelsbilanztheorie, lobt die vorhandenen Einfuhrverbote und gelangt zu der irrtümlichen Auffassung, dass im Güteraustausch der eine Kontrahent stets gewinne, was der andere verliere. – Thomas Mun empfiehlt in sehr eingehender Weise Regierungsmassregeln zur Herbeiführung einer günstigen Handelsbilanz und verteidigt das von König Heinrich VIII. im „Statut of employment“ erlassene Verbot der Geldausfuhr aus England. – Ferner haben sich in England Josiah Child (Observations concerning trade and interest of money 1668) und William Temple um die gleiche Zeit als merkantilistische Schriftsteller einen Namen gemacht.

c) In Frankreich fanden die merkantilistischen Anschauungen erst ca. ein Menschenalter später in der Wissenschaft Aufnahme und Befürwortung. François Mélon (Essays politiques sur le Commerce 1731) verlangt ein entschiedenes Hinarbeiten auf eine günstige Handelsbilanz. Als bestes Mittel hierfür erscheinen ihm die Kolonial- und Handelskompagnieen, also die Organisation des internationalen Grosshandels unter Ausbildung ausgedehnter Monopole. Am meisten tritt sein merkantilistischer Standpunkt in seiner einseitigen Ueberschätzung der Industrie hervor. – Louis Forbonnais (Elements du Commerce 1754) behandelt gleichfalls die bekannte Handelsbilanztheorie,

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/256&oldid=- (Version vom 26.9.2021)