Seite:Handbuch der Politik Band 2.pdf/278

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Bayern: Seydel, Bayr. Staatsrecht S. 534 ff.
Württemberg: Göz, Das Staatsrecht des Kgr. W. S. 436 ff.
Sachsen: v. d. Mosel, Handbuch d. s. Verwaltungsrechtes S. 169 ff.
Baden: Affolter, System des b. Verwaltungsrechtes S. 110 ff.
Elsass-Lothringen: Röll, Enzykl. III S. 1406 ff.
Mecklenburg-Schwerin: Stegemann, Meckl. Eisenbahnverhältnisse.
Eisenbahnvölkerrecht: Meili, Die internat. Unionen über das Recht der Verkehrsanstalten.
Kaufmann, Die mitteleuropäischen Eisenbahnen und d. internationale ö. Recht;
von Liszt, Völkerrecht S. 158 ff.

I. Einleitung.

§ 1. Fast Alleinherrscher auf dem Gebiete des Personenverkehrs, von gewaltiger Bedeutung auf dem Gebiete der Güterbeförderung haben die Eisenbahnen den gewichtigsten Anteil an der beispiellosen Entwicklung des Weltverkehrs seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Selbst Förderer der Industrie und damit auch ein Faktor in der Entwicklung der modernen Technik hat diese wiederum belebend und befruchtend auf das Eisenbahnwesen eingewirkt. Indem den Eisenbahnen alle Erfindungen auf technischem Gebiete (vornehmlich die elektrische Kraft) sowohl, was die Schnelligkeit wie die Betriebssicherheit betrifft, dienstbar gemacht wurden, sind sie zu einer Stufe der Entwicklung gebracht, die sie trotz aller früher nicht geahnten Erfindungen für den Massen-Personenverkehr ebenso wie den eiligeren Güterverkehr menschlicher Voraussicht nach niemals entbehrlich und ersetzbar erscheinen lässt. Nach der Reichsstatistik wurden im Jahre 1912 auf Eisenbahnen im deutschen Reich an Gütern befördert; im Inlandverkehr 366 604 000 Tonnen, nach dem Ausland versandt 37 558 000 Tonnen, empfangen vom Ausland 22 335 000 Tonnen und durchgeführt 93 900 Tonnen. Die Zahl der beförderten Personen betrug 1643 Millionen (gegen 891 Millionen im Jahre 1902!). Auch gegenüber den Wasserstrassen, die für Massentransporte, bei denen es auf Schnelligkeit nicht ankommt, bisher noch in erster Linie stehen, hat der Bahntransport wegen seiner sonstigen Vorzüge (Ersparung des Umladens, direkte Verfrachtung u. a.) die erheblichste Bedeutung. Ist die Eisenbahn mit ihrem die ganze bewohnte Erde in immer grösserer Ausdehnung umspannenden Schienennetz ein völkerverbindendes Element und den Frieden fördernder und unterhaltender Faktor in den Beziehungen der Völker, so ist sie andererseits eines der bedeutsamsten Kriegsinstrumente. Ein im Kriegsfalle versagender Eisenbahnbetrieb macht den betroffenen Staat wehrlos. Die Möglichkeit eines Sieges ist verloren, wenn mangelhafte Beförderungsmöglichkeiten dem Staat den schon an sich unendlich schwierigen Aufmarsch moderner Millionenheere erschweren. Zu allen diesen den Lebensinteressen des modernen Staates und seiner Bewohner in erheblichstem Masse dienenden Eigenschaften der Eisenbahn kommt noch, dass die Konkurrenzlosigkeit dieses wichtigsten Verkehrsmittels die Eisenbahn – richtig verwaltet – zu der bedeutsamsten Erwerbsquelle und damit zu einer der wichtigsten Stützen der Staatsfinanzen zu machen geeignet ist. Die allmähliche Entwicklung der Bahnen aus privatwirtschaftlichen Betrieben zu Staatsbetrieben, ist daher verständlich und die Folgerung aus der Erkenntnis der überwiegenden öffentlichen Bedeutung der Eisenbahnen. Allerdings ist der Grundsatz, dass das Eisenbahnwesen zu den Angelegenheiten des Staates aus Gründen des öffentlichen Wohls gehöre, weder alsbald nach Entstehung der Eisenbahnen noch überall und völlig zur Herrschaft gelangt. Ursprünglich wurde in Deutschland ebenso wie auch in dem für den technischen Betrieb der Eisenbahnen vorbildlichen England und den Vereinigten Staaten von Amerika das Eisenbahnwesen ausschließlich der Privatwirtschaft überlassen. Während aber in den beiden genannten Ländern auch gegenwärtig noch der Grundsatz des privatwirtschaftlichen Eisenbahnbetriebes herrschend ist, ist Deutschland überwiegend zum Staatsbahnbetriebes übergegangen. Diese Entwicklung setzte in der Hauptsache nachdem Kriege von 1870/71 ein, während vorher nur einige Mittelstaaten im Anschluss an das im Belgien herrschende Staatsbahnprinzip zu der Erkenntnis gelangt waren, dass Bau und Betrieb der Bahnen Aufgabe des Staates sei. Das Bedürfnis nach grösserer Einheitlichkeit im Eisenbahnwesen machte sich geltend. Es fand seinen Ausdruck zunächst in den Vorschriften der Reichsverfassung besonders in den Art. 4, 8, 41 bis 47, von denen Art. 127 die wichtigsten Grundsätze enthält:

Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/278&oldid=- (Version vom 26.9.2021)