Seite:Handbuch der Politik Band 2.pdf/283

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

sollten. Der Fonds kam aber tatsächlich nicht zustande, vielmehr wurden die von Jahr zu Jahr steigenden Überschüsse zur Deckung der anderweiten Mindereinnahmen des Staatshaushalts verwendet. Nach einem wirkungslosen Versuch einen mit 20 Millionen dotierten Fonds der Eisenbahnverwaltung zu gründen, wurde seit dem Jahre 1892 wenigstens erreicht, dass eine den Bedürfnissen der Eisenbahnverwaltung entsprechende Dotierung des Extraordinariums, des Etats aus den laufenden Mitteln stattfand. Dadurch wurde ein erheblicher Teil der besonderen Bedürfnisse der Eisenbahn aus eigenen Überschüssen gesichert, und ermöglicht, dass Ergänzung des Bahnnetzes, soweit möglich, aus den laufenden Einnahmen erfolgte.

Andererseits reichte diese Regelung nicht aus, die Nachteile des Schwankens der Einnahmen des Eisenbahnetats für den allgemeinen Etat auszugleichen. Dies wurde durch das Gesetz betreffend die Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung vom 3. Mai 1903 versucht. Der Ausgleichfonds sollte geschaffen werden aus dem über die gesetzliche Tilgung von 3/5% noch verbleibenden Überschüsse des Etats bis zu einem Höchstbetrage von 200 Millionen. Der Fonds, der noch bis zum Jahre 1909 den sogenannten Dispositionsfonds von 30 Millionen zu speisen hatte, konnte aber nicht ausreichend dotiert werden. Seit dem Jahre 1910 wird (als Versuch auf 5 Jahre) entsprechend einer Resolution des Landtages dem Ausgleichfonds ausser den rechnungsmässigen Überschüssen des Staatshaushalts der Betrag des reinen Überschusses der Eisenbahnverwaltung durch den Etat zugeführt, der 2,10% des jeweiligen statistischen Anlagekapitals (1909 10 Milliarden Mark) der preussischen Staatsbahn übersteigt und zwar auch dann, wenn der Fonds den Betrag von 200 Millionen erreicht hat. Ferner ist gleichfalls einer Resolution des Landtags entsprechend eine Begrenzung des Extraordinariums vorgesehen. Erweiterungen und Ausbauten können (in Abweichung von dem Grundsatz von 1892) aus Anleihen entnommen werden, wenn dabei das Extraordinarium nicht unter 120 Millionen Mark (oder 1,15% des Anlegekapitals) sinkt. Muss gleichwohl ein höheres Extraordinarium eingestellt werden, so muss der überschiessende Teil auf den Ausgleichfonds oder auf sonstige Staatsmittel angewiesen werden.

In Hessen ist beim Abschluss des gemeinschaftlichen Vertrages mit Preussen ein Ausgleichsfonds gebildet worden, in den ein Teil der Überschüsse fliesst.

Die Bedeutung der Einkünfte des Eisenbahnwesens für die allgemeinen Staatsfinanzen ergibt die in der Reichsstatistik enthaltene Gegenüberstellung der Erwerbseinkünfte der Staaten aus Eisenbahnen und anderen Betrieben des Staates. Nach den Voranschlägen für 1912 betrug in Preussen der Reinertrag der Staatseisenbahnen 539 954 000 M., gegenüber einem Reinertrag aus anderen Erwerbseinkünften von 118 000 000 M. In Bayern 93 822 000 M., gegen 52 471 000 M., in Sachsen 44 008 000 M., gegen 15 020 000 M. In Baden 29 869 000 M. gegen 5 479 000 M. Im Deutschen Reich mit seinem geringeren Eisenbahnnetz treten die Einnahmen aus dem Eisenbahnwesen erklärlicherweise zurück.

III. Verkehrspolitik.

§ 5. Das Interesse des Staates erfordert, dass sein Eisenbahnnetz den Anforderungen entspricht, die geeignet sind, sowohl den allgemeinen politischen Interessen wie den Interessen seiner Bewohner (Förderung der Wirtschaft, Versorgung mit Lebensmitteln) zu dienen. Die Herstellung einer glatten Abwickelung der Beförderung, sowie die möglichste Verkürzung ihrer Zeitdauer ist die Hauptaufgabe der staatlichen Verkehrspolitik.

Solange der Eisenbahnverkehr seine jetzige Bedeutung noch nicht erlangt hatte, waren die Eisenbahnen wie alle anderen Frachtführer lediglich den allgemeinen Normen der einzelnen deutschen Landesrechte über das Frachtrecht unterworfen. Wenn nicht zwingende Rechtssätze hiernach eine Abänderung der frachtrechtlichen Bestimmungen ausschlossen, setzte die Eisenbahn selbständig die Bedingungen fest, unter denen sie die Frachtgeschäfte abzuschliessen gewillt war, und zwar alsbald in der Weise, dass jede Verwaltung für ihren Bezirk und Betrieb allgemeine Grundsätze aufstellte, auf Grund deren sie sich zum Kontrahieren bereit erklärt. Diese Lokalreglements reichten aber nicht aus, um dem Bedürfnisse des Verkehrs gerecht zu werden. Der Absender war genötigt, sobald bei einem weiteren Transport die Bahnstrecke der ersten Eisenbahn überschritten wurde, mit der anschliessenden Eisenbahn einen neuen Vertrag zu schliessen. Die damit

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/283&oldid=- (Version vom 26.9.2021)