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Gesetz erfolgen, soweit sie nicht zwecks Herstellung der Gleichmässigkeit der Tarife oder infolge einer Änderung des Gütertarifschemas geschehen.

V. Beamten- und Arbeiterwesen.

§ 8. Die grossen Aufgaben, die der Eisenbahn, zunächst der Staatseisenbahn im Interesse des Staates und seiner Bevölkerung zur Lösung zufallen, verlangen vor allem neben der technischen Vervollkommnung der Betriebsmittel ein geschultes und verlässliches Personal sowohl für die Verwaltung, wie für den eigentlichen Betrieb. Bei den Staatsbahnen hat man zwischen den als öffentliche Beamte und im Privatdienste angestellten zu unterscheiden. Zu der letzten Klasse gehören namentlich die für die Aufrechterhaltung des Betriebes unentbehrliche grosse Zahl der Arbeiter. Bei den deutschen Eisenbahnen waren 1912 im Jahresdurchschnitt 263 528 etatsmässige, 20 031 diätarische Beamte und 429 628 Arbeiter, zusammen also 713 187 Personen beschäftigt.

Unter den Beamten sind zu unterscheiden: die probeweise Beschäftigten (ausseretatsmässig), die auf Kündigung angestellten und die unkündbaren Beamten. Die Anstellung der Beamten erfolgt vielfach zunächst auf Probe, für die Folgezeit auf Kündigung, zuletzt, soweit zulässig, lebenslänglich. Die Einteilung in höhere, mittlere und Unterbeamte findet sich auch in der Eisenbahnverwaltung. Zu den höheren Beamten zählen die Beamten mit akademischer Bildung (Juristen, höhere Verwaltungsbeamte, Techniker mit Hochschulbildung), für die mittleren Beamten ist nur bureaumässige Ausbildung erforderlich. Für die Unterbeamten ist keine Fachbildung nötig. In ihre Stelle einzurücken steht zum Teil auch bewährten Arbeitern offen. Die Massnahmen einer sachentsprechenden Einrichtung des Beamten- und Arbeiterwesens in der Eisenbahnverwaltung müssen sich vornehmlich nach zwei Richtungen erstrecken, einmal nach der Richtung einer Gewähr für die Aufrechterhaltung, zum zweiten aber nach der Richtung der möglichsten Sicherheit des Betriebes. In der ersten Beziehung haben namentlich die Wirtschafts- und politischen Kämpfe der Gegenwart die Frage nahegelegt, ob die deutsche, besonders die preussische Eisenbahnverwaltung gegen die in anderen Ländern schon vorgekommene Lohnbewegung durch allgemeine oder teilweise Arbeitseinstellung und ihre Nebenerscheinungen (Sabotage) hinreichend gerüstet ist. Wenn auch der Massenstreik als ein sicheres politisches Kampfmittel gegenwärtig von der Sozialdemokratie verworfen worden ist, wird, namentlich in politisch erregten Zeiten ein Streik der Eisenbahner auch in Deutschland für möglich gehalten werden müssen (namentlich zur Verhütung eines unpopuläreren Krieges). Für diesen Fall – selbstverständlich nicht zur blossen Vereitelung eines Lohnkampfes – wird deshalb eine hinreichende Ausbildung von Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren für den Eisenbahndienst nicht umgangen werden können. Gegenwärtig sucht man den Gefahren einer Propaganda revolutionärer Ideen durch entsprechende Verbote, namentlich auch gegen jede Beteiligung an Vereinen und Verbänden mit einer die jetzigen Grundlagen des Staatswesens bekämpfender Tendenz zu begegnen. Die damit verbundene Beschränkung des Koalitionsrechtes der Arbeiter und Beamten ist häufig Gegenstand der Beschwerden in den Parlamenten. Abgesehen von der Bekämpfung destruktiver Tendenzen darf freilich, wie dies auch von den Verwaltungen stets versichert wird, ein Einfluss auf die Beamten und Arbeiter im Sinne der Betätigung einer bestimmten politischen Meinung nicht ausgeübt werden. Unter den auf dem Boden der gegenwärtigen Staatsordnung stehenden Richtungen sind die konservativen (christlich-national; Elberfelder und Trierer Verband) und die liberalen (Hirsch-Dunckersche Vereine) zu unterscheiden. Den Beamten und Arbeitern muss auch in der Eisenbahnverwaltung der Zusammenschluss zu Vereinen und Verbänden jedenfalls insoweit völlig frei stehen, als diese Vereine lediglich die Interessen der Hebung des Standes und der wirtschaftlichen Lage zum Gegenstände haben, freilich immer soweit die Disziplin dabei keine Gefahr erleidet. Die Eisenbahnvereine der preussisch-hessischen Staatsbahnen sind in einem Verbande vereinigt, dem 1910 754 Vereine mit zusammen 435 682 Mitgliedern angehörten. Der Verein der mittleren Staatseisenbahnbeamten der preussisch-hessischen Staatseisenbahnen zählte 1910: 151 Ortsgruppen mit 10 389 Mitgliedern; auch in Bayern, Württemberg und Baden bestehen gleichartige Vereine, die untereinander in einem gewissen Kartellverhältnis stehen.

Erfordert die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Betriebes in erster Reihe das Vorhandensein und die Tätigkeit der notwendigen Zahl pflichttreuer Angestellter, so nötigt die Erhaltung

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 271. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/287&oldid=- (Version vom 27.9.2021)