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dessen Erfahrungen sie früher immer wieder sich zunutze zu machen bestrebt sein musste, unabhängig gemacht hat, beweist auch die Tatsache, dass gegen Schluss des Jahres 1911 auf englischen Werften nur ganz wenige Fahrzeuge für deutsche Rechnung im Bau waren, auf deutschen Werften dagegen eine ungewöhnlich grosse Tonnage. Nach einer privaten Schätzung betrug der Wert der von deutschen Werften im Laufe des Jahres 1911 abgelieferten und nach Schluss 1911 noch abzuliefernden Seeschiffe rund 287 Millionen Mark! Das ist eine gewaltige Summe, die durch die Vermittlung von Schiffahrt und Schiffbau der deutschen Nationalwirtschaft zugute kommt.

Über die äussere Entwicklung des deutschen Schiffbaus orientiert die im nächsten Abschnitt wiedergegebene Statistik.

V. Statistik.

Statistisch die Bedeutung der Schiffahrt zu erfassen, ist völlig unmöglich. Die Grundlage der amtlichen Statistiken ist die Netto-Registertonne, die den Rauminhalt der Schiffe nach Vornahme von Abzügen für Maschinen- und andere Räume angibt, Abzüge, die sowohl in den einzelnen Ländern verschieden, als auch mit den Fortschritten der Technik verändert worden sind. Ein markantes Beispiel der Verschiedenheit ist z. B. die Tatsache, dass infolge der andersartigen belgischen Vermessung der Antwerpener Schiffsverkehr in der Statistik um 15–18% zu hoch erscheint im Vergleich zu dem der deutschen Häfen. (Das Nähere siehe Vogel a. a. O.). Die internationale Vergleichbarkeit der amtlichen Schiffsstatistik ist dadurch empfindlich beeinträchtigt. Private Statistiken, wie die von Lloyd’s Register, legen die Brutto-Registertonne zugrunde, die einen erheblich besseren Vergleichsmassstab ergibt, weil sie wenigstens die Schiffe mit ihrer vollen Raumgrösse aufführt und das richtige Verhältnis zwischen Dampfern und Segelschiffen herstellt, bei welch’ letzteren praktisch der Brutto-Raumgehalt dem Netto-Raumgehalt gleich ist. Für Schiffe, die nur Fracht befördern, gibt die sogenannte Tragfähigkeits-Tonne (im Englischen: ton deadweight) einen guten Massstab; sie gibt an, was das Fahrzeug in Tonnen Gewicht tragen kann Indess spielt in der deutschen Reederei eine sehr grosse Rolle der Dampfer, der nicht nur Fracht, sondern auch Passagiere fährt, und dessen wirtschaftlicher Wert daher erheblich höher ist, aber durch die Mittel der Statistik nicht erfasst werden kann. Da der wirtschaftliche Wert, der mit dem geschäftlichen Nutzen des Schiffes übereinstimmt, an dem Baupreis annähernd gemessen werden kann, gibt folgender Vergleich einen Anhalt für die Unzulänglichkeit der Statistik:

Brutto-Reg. Tons       Netto-Reg. Tons       Baupreis
Schnelldampfer 16 500 5 200 12 Mill. M.
Erstklassiger Fracht- und Passagierdampfer 24 600 14 800 14 Mill. M.
Zweitklassiger Fracht- und Passagierdampfer 13 300 8 500 4,3 Mill. M.
grosser Frachtdampfer 8 000 5 000 2,0 Mill. M.

Es ist also klar, dass für die wirtschaftliche Bewertung der grossen Passagierdampfer, deren Baupreis jetzt übrigens mit weiter gestiegener Grösse bis auf 25–30 Millionen Mark für das einzelne Fahrzeug hinaufgegangen ist, der Raumgehalt keinen auch nur annähernd richtigen Vergleichsmassstab gibt. Hinzu kommt weiter, dass der Verdienst des Schiffes natürlich auch von der Zahl der Reisen abhängt, die es in eine bestimmten Zeit machen kann, und die ihrerseits durch die Länge des Reisewegs, die Geschwindigkeit des Schiffes, und die Dauer des Aufenthaltes im Hafen bestimmt wird. Vollends getrübt wird ein internationaler Vergleich dadurch, dass die Zusammensetzung der Handelsflotten der einzelnen Länder sehr verschieden ist, die deutsche Handelsflotte z. B. vergleichsweise sehr viel mehr hochwertige Schiffe enthält als die fast aller anderen Länder. Mit allen diesen Vorbehalten (die auch die von Vogel a. a. O. empfohlene Annahme der Tragfähigkeits-Tonne als Grundlage für die Statistik durchaus nicht völlig aufheben würde) und unter Bezugnahme auf die oben angeführten periodischen statistischen Veröffentlichungen seien zur Verdeutlichung des Wachstums der wichtigsten Handelsflotten folgende Ziffern nach

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/313&oldid=- (Version vom 3.10.2021)