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werden würde, so könnte man den Erwerb der Anteile durch das Reich wohl befürworten. Aber die Sicherheit dauernder Gewinnerzielung existiert nicht. Seit dem Erlass des Bankgesetzes hat das Reich eine grössere wirtschaftliche Krisis noch nicht durchgemacht. Wie sich die Zentralbank in einer solchen Krisis bewähren wird, lässt sich nicht voraussehen. Daher würde das Reich durch die Übernahme der Anteile immerhin ein nicht unerhebliches Risiko eingehen. Gegen die Verstaatlichung spricht weiter die Befürchtung, dass Parteipolitik und Parlamentsmehrheit Einfluss auf die Bankleitung gewinnen können. Die Tatsache lässt sich nicht ignorieren, dass gerade die bedeutendsten Anhänger der Verstaatlichungsidee auch im Interesse der Landwirtschaft eine Erweiterung der Kreditgewährungsbefugnis für die Reichsbank fordern. Ein wichtiges Argument gegen die Verstaatlichung ist weiter die Erhaltung der Selbständigkeit der Bank gegenüber dem Reich. Die Übernahme der Anteile durch das Reich würde die Gefahr erhöhen, dass das Reich noch weit mehr als wie bisher durch Diskontierung von Schatzanweisungen zur Deckung seiner Kapitalbedürfnisse auf die Reichsbank zurückgriffe. Und schliesslich wird man noch darauf hinweisen dürfen, dass nicht an den Grundlagen der Zentralbank, die sich doch nun einmal über ein Menschenalter hindurch im allgemeinen bewährt haben, ohne Zwang herumexperimentiert werden darf. Solange die Bank in der gleichen Weise sich weiter entwickelt, wie dies bisher der Fall gewesen ist, liegt für Deutschland kaum ein Grund vor, mit einem System zu brechen, das sich in gleicher Weise in der Bank von England und den Zentralbanken von Frankreich, Österreich-Ungarn und Italien verwirklicht findet.

b) Die Sozialisierung der Reichsbank (Vorschlag Bendixen).

Bendixen fordert in seiner Abhandlung über den Charakter der Reichsbank – Bank-Archiv 8,67 – eine neue Organisation der Reichsbank. Er will zwar die Grundlagen der Zentral- Bank als einer mit Privatmitteln betriebenen Bank aufrecht erhalten wissen, er erachtet es aber für unstatthaft, dass den Anteilzeichnern ein höherer Gewinn zufliesse als die normale Verzinsung ihres Kapitals. Vielmehr sollten die Überschüsse nach Abzug einer nicht zu hoch bemessenen Rente für das Reich ausschliesslich der Reichsbank selbst zufallen, die sie zur weiteren Erfüllung ihrer gemeinnützigen Aufgaben zu verwenden hat. Bendixens Vorschlag ist praktisch undurchführbar, die vollkommene Verstaatlichung der Bank wäre seinem Vorschlage entschieden vorzuziehen. Es würde kaum zweckmässig sein, die Reichsbank zu zwingen, die Gewinne durchaus den eigentlichen sozialen Aufgaben der Reichsbank zuzuwenden, während für andere ausserhalb des Wirkungskreises der Reichsbank liegende Aufgaben notwendig Mittel gebraucht werden. Schliesslich ist es doch ganz gleichgültig, in welcher Form die Allgemeinheit am Gewinn der Reichsbank partizipiert.

c) Reformvorschläge im Rahmen der bestehenden Bankorganisation.

Muss man bei nüchterner und vorurteilsfreier Betrachtung die Vorschläge derer, die eine radikale Umwälzung der geltenden Reichsbankorganisation fordern, im Interesse der ruhigen und stetigen Entwickelung des deutschen Wirtschaftslebens ablehnen, so lässt sich doch auf der andern Seite nicht leugnen, dass unter Aufrechterhaltung der allgemeinen rechtlichen Grundlagen der Bank Reformen im einzelnen – und zwar auch in wesentlichen Punkten – angebracht erscheinen.

Hierher gehören vor allem die Beseitigung der Drittelsdeckung und der Notensteuer und die zweckentsprechendere Ausgestaltung der Wochenausweise.

α) Aufhebung der Drittelsdeckung.

Das Prinzip der Drittelsdeckung ist wie jedes andere mechanische Prinzip für eine Staatsbank schon als solches verwerflich. Es kann die Bank zu Massnahmen, insbesondere Diskonterhöhungen zwingen, die als solche in den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht begründet sind. Offenbar darf die Bank niemals auch nur an die Grenze der Drittelsdeckung herankommen, sie muss vielmehr in Wahrheit ständig eine viel höhere Deckung bereit halten, weil sie ja sonst Gefahr läuft, auf den toten Punkt zu gelangen, von dem an sie ihre Geschäfte solange einstellen müsste, bis Metall oder Noten zu ihr zurückgeflossen sind. Andererseits wird in Zeiten einer Krise die Drittelsdeckung

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/350&oldid=- (Version vom 10.10.2021)