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voraussichtlich doch suspendiert werden müssen. Weiter kommt hinzu, dass das Prinzip nicht einmal folgerichtig durchgeführt ist. Bedarf die Note überhaupt im Hinblick auf die internationalen Beziehungen einer Deckung, so kann heute nur Deckung in Gold in Frage kommen. Deckung in Silber ist keine Deckung und noch weniger Deckung in Reichskassenscheinen. Weder für Scheidemünzen noch für Reichskassenscheine besteht ja gesetzlich eine Deckung in Gold. Zu alledem kommt nun noch hinzu, dass sich die positive Ausgestaltung der Drittelsdeckung mit der Ausbildung des Girowesens nicht verträgt. Das Prinzip der Notendeckung gründet auch auf die Fiktion, dass der gesamte deckungsfähige Barvorrat für die Einlösung der Noten zur Verfügung stehe. Ist doch das Deckungsprinzip der Ausfluss des Misstrauens, mit dem man ehedem die Zettelbanken betrachtete. Für alle übrigen Verbindlichkeiten der Reichsbank, insbesondere auch die Giroverbindlichkeiten existiert eine gleichgeartete Deckungsvorschrift nicht. Nun wird gerade das Deckungsgesetz dadurch zur Farce, wenn die Reichsbank in der Lage ist, durch Kontrahierung täglich fälliger Verbindlichkeiten sich deckungsfähige Barmittel zu verschaffen. Das Gold, das die Girogläubiger der Bank auf Girokonto einzahlen, und das – wenn es überhaupt zur Deckung irgendwelcher spezieller Verbindlichkeiten bestimmt sein sollte – der Deckung eben der Giroverbindlichkeiten dienen müsste, wird nur unter dem Gesichtswinkel der Notendeckung betrachtet. Das ist gesetzlich natürlich durchaus gerechtfertigt. Aber die Deckung ist eine rein fiktive: sobald nur ein erheblicher Teil der Girogelder zurückgezogen würde, wäre das Deckungsgesetz verletzt. Der gesamte Goldbestand der Reichsbank deckte in den Jahren 1906 und 1907 kaum zwei Drittel der Giroverpflichtungen. Will man heute Deckungsvorschriften schaffen, so darf nicht die Eigenschaft der Zentralbank als Depositenbank vollständig neben der als Notenbank unberücksichtigt bleiben. Es würde zu bestimmen sein, dass in Höhe eines Teils – etwa eines Sechstels – der sämtlichen täglich fälligen Verbindlichkeiten Gold in Reserve zu halten ist. – So käme man dazu, einer modernen Deckungsvorschrift überhaupt nicht das Prinzip der Einlösbarkeit der Noten in Goldmünzen zugrunde zu legen. Die Zentralnotenbank muss als Hüterin der Währung, also für den Verkehr mit dem Ausland, Goldreserve haben. Dann würde von selbst der Goldbarren vollwertiges Deckungsmaterial werden und der Abzug der Prägegebühr erledigt sich ohne weiteres. Desgleichen stehen alsdann keinerlei Bedenken mehr der Einrechnung von Golddevisen entgegen. Nach der heute herrschenden Auffassung, wonach die Bardeckung den Reichsbankkassierer in die Lage versetzen soll, eine präsentierte Hundertmarknote in Goldmünzen umzuwechseln, wäre die Einrechnung der Golddevise allerdings eine Inkonsequenz.

β) Aufhebung der Notensteuer (der Kontingentierung).

Die indirekte Kontingentierung mag für die Privatbanken zweckmässig sein, weil sie die Leitung der Bank immerhin zwingt, in der Kreditgewährung bestimmte Schranken einzuhalten. Ganz anders bei der Reichsbank. Es ist ein Widerspruch, der Zentralbank, die im Interesse der Allgemeinheit das Notenkontingent überschreitet, zur Strafe eine Steuer aufzuerlegen. Die indirekte Kontingentierung hat nur dann Sinn und Verstand, wenn gleichsam automatisch auf die Überschreitung des Kontingents die entsprechende Diskonterhöhung folgt. Wenn dagegen die Reichsbank – wie sie dies z. B. in ihrem Jubiläumsbericht mit Genugtuung hervorhebt – wiederholt die Notensteuer selbst getragen und im Interesse der Allgemeinheit einen niedrigeren Diskont aufrecht erhalten hat, so ist damit der einzige Zweck der Notensteuer, die Eindämmung der Spekulationslust, vereitelt.

Aber auch die prinzipiellen Erwägungen, auf denen die Kontingentierung beruht, sind für die Reichsbank nicht mehr stichhaltig. Der Gedanke, einer Volkswirtschaft durch eine mechanische Ziffer vorzuschreiben, wie hoch das Maximum ihres Notenbedarfs ist, erscheint für moderne Verhältnisse verwerflich. – Ebenso widersinnig wie die Kontingentierung selbst, ist nun aber auch das vom Reich zur Abhilfe der aus ihr entspringenden Nachteile gewählte Hilfsmittel, d. h. die periodisch eintretende Kontingentserhöhung. Besteht einmal eine Kontingentierung, so ist eine von Jahrzehnt zu Jahrzehnt eintretende, sich nach den Kontingentsüberschreitungen des verflossenen Jahrzehnts richtende Kontingentserhöhung doch nur das indirekte Geständnis, dass die bisherige Kontingentierung den Anforderungen des Wirtschaftslebens nicht genügt hat. Statt dass sich der Notenumlauf

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/351&oldid=- (Version vom 10.10.2021)