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für den Bestand der Kartelle gegeben. Überhaupt ist der Anreiz zu Neugründungen und Erweiterungen, den die festorganisierten Kartelle geben, eine der volkswirtschaftlich bedenklichsten Seiten der Konzentrationsbewegung. In der gleichen Richtung wirkt die Beteiligung des Staates an den Kartellen, wie schon länger in der Kaliindustrie und zeitweise am Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat. Die darin liegende Sicherung des Kartells fördert eine volkswirtschaftlich höchst bedenkliche Überkapitalisation, die allerdings in der Montanindustrie verhältnismässig am wenigsten gefährlich ist, weil hierdurch in natürlichen Verhältnissen Benzlaus Schranken gesetzt sind.

So bewahrheitet sich hier der alte Satz, dass ein volkswirtschaftliches Prinzip, auf die Spitze getrieben, in sein Gegenteil umschlägt. Die Kartellierung in der Montanindustrie trägt dadurch, dass sie zu Erweiterungen und Kombinationen veranlasst, schon den Keim zu neuer Konkurrenz in sich, entwickelt aus sich selbst ein Korrektiv, das die Ausbildung einer extremen Monopolstellung verhindert.

Wenn so die Kartelle der Montanindustrie auch keineswegs gesicherte Institutionen sind, so ist doch andererseits nicht anzunehmen, dass sie nur vorübergehende Erscheinungen seien, die bald auf immer verschwinden werden. Im Gegenteil. Dauernder Konkurrenzkampf ist heute undenkbar, die grossen, mit ungeheuren Kapitalien arbeitenden Unternehmungen können sich nicht dauernd bekämpfen. Je geringer ihre Zahl ist, desto leichter ist eine Verständigung zwischen ihnen. Sie ist auch im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse. Denn Konkurrenzkampf bedeutet eine Kapitalverschwendung. Der „anarchische“ Zustand, bei dem die Anpassung der Produktion an die Nachfrage allein durch die Konkurrenz erfolgt, ist unwirtschaftlich. Mag auch zeitweiser Konkurrenzkampf eintreten, er wird doch bald wieder einer Organisation der Unternehmungen Platz machen müssen. Manche glauben, dass dabei an die Stelle der Kartelle der Trust treten wird. Aber bisher hat sich auch in Amerika gezeigt, dass es in den grossen, volkswirtschaftlich wichtigsten Industrien, vor allem auch in der Montanindustrie unmöglich war, alle Unternehmungen zu einer einzigen mit monopolistischem Charakter zu vereinigen. Das scheitert schon an der Möglichkeit, eine solche Unternehmung zu übersehen und einheitlich zu leiten. So werden auch bei uns, gerade in der Montanindustrie, immer mehrere grosse Unternehmungen bestehen bleiben (daneben auch kleinere für Spezialprodukte) und zur Beseitigung des Konkurrenzkampfes zwischen ihnen werden die Kartelle noch auf lange hinaus ihre Bedeutung behalten.





b) Elektrizitäts-Konzerne.
Von
Hugo Natalis,
Direktor der Siemens-Schuckert-Werke in Berlin.


Die grossen und vielseitigen Aufgaben, die die Elektrotechnik im letzten Vierteljahrhundert gelöst hat, führten in rascher Folge zur Aufschliessung immer neuer, für die Anwendung der elektrischen Energiequelle geeigneter Gebiete. Damit wuchsen naturgemäss auch die Anforderungen des Konsums an die Produktion. Die Ausdehnung der Betriebsstätten und des Wirkungskreises waren die Folge. Beides erforderte die Aufbringung grosser Mittel und die Schulung sachverständiger Kräfte. Alle diese Momente sprachen für einen grösseren Zusammenschluss gleicher oder sieh ergänzender Kräfte und haben in allen Industriestaaten mit mehr oder weniger Erfolg,

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/424&oldid=- (Version vom 1.11.2021)