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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

nicht sowohl zwecks Bekämpfung der Kartelle als vielmehr, um den Kohlenbedarf der preussischen Staatsbahnen unabhängig von ihnen sicher zu stellen. 1911 ist der preussische Fiskus mit seinen Ruhrwerken dem Rheinisch-westfälischen Kohlensyndikat beigetreten, um den weiteren Bestand des Syndikats zu sichern. An den tatsächlichen Verhältnissen hat sich dadurch nicht viel geändert. Denn er hatte bisher dem Kartellmonopol in keiner Weise Konkurrenz gemacht. Im Oktober 1912 ist der Fiskus dann, weil er die vom Syndikat beschlossene Preiserhöhung nicht mitmachen wollte, aus dem Syndikat wieder ausgetreten. Da seine Zechen aber nicht sehr günstig produzieren, ist er doch an hohen Preisen interessiert und wird dem Syndikat keine ernsthafte Konkurrenz machen, möglicherweise ihm auch wieder beitreten, oder sonst einen Vertrag mit ihm schliessen, um die Erneuerung des Kartells zu sichern.

Dagegen geschah die Ausdehnung des Staatsbesitzes im Kalibergbau zu dem ausdrücklichen Zwecke, im Kalisyndikat, dem der preussische und der anhaltische Fiskus von Anfang an angehörten, entsprechend der Vermehrung der Privatwerke den alten Einfluss zu erhalten. So wurde namentlich im Jahre 1905 die Gewerkschaft Hercynia um den Preis von 30 Mill. Mk. erworben.

Ende 1912 wurde dem Reichstage ein Gesetzentwurf vorgelegt, welcher die Errichtung eines Petroleumhandelsmonopols bezweckt. Der Ein- und Verkauf im grossen sollte einer privaten Aktiengesellschaft übergeben werden. Das Reich sollte unter staatlicher Leitung die Verkaufspreise festsetzen und am Gewinn beteiligt sein. Die Massregel war vor allem als Mittel gegen die überragende Stellung der Standard Oil Company und ihrer Verkaufsorganisationen auf dem deutschen Markte gedacht, die 70 Proz. des deutschen Konsums liefern. Man glaubte unter Umgehung des Trusts sich die nötige Petroleummenge von den russischen, rumänischen, österreichischen und bisher trustfreien amerikanischen Produzenten sichern zu können. Ob damit aber wirklich die deutsche Versorgung sicher gestellt und ob insbesondere den Konsumenten damit billigere Preise gewährt werden könnten, steht dahin. Eine Reichstagskommission hat zwar den Entwurf nach mancherlei Änderungen angenommen, aber eine Entscheidung ist darüber noch nicht erfolgt.

Das gesamte Problem der Verstaatlichung ganzer Unternehmungszweige zu erörtern liegt ausserhalb des Rahmens dieser Skizze. Als radikalstes Mittel zur Bekämpfung von Missbräuchen monopolistischer Vereinigungen wird sie kaum oft in Betracht kommen, weil andere sehr viel einfachere Mittel, im Notfall staatliche Preisfestsetzungen, genügend zu Gebote stehen. Bisher haben sich auch im Bergbau die preussischen Verstaatlichungen und die Beteiligung des Staates au kartellierten Industrien durch eigene Unternehmungen nicht als nützlich und erfolgreich erwiesen. Das zeigte sich besonders in der neueren Entwickelung der Kaliindustrie.

VI. Regelung der Kaliindustrie und das deutsche Kaligesetz.

Während man bisher immer glaubte, dass eine staatliche Regelung des Kartellwesens Massregeln gegen die Kartelle zum Schutze der Allgemeinheit enthalten müsse, ist das einzige wirklich weitgehende Eingreifen in die Kartellfrage, das in Deutschland bisher zu verzeichnen war, ein Gesetz zum Schutze eines Kartells. Es ist das Reichskaligesetz vom 25. Mai 1910. Während bis Ende der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts die Zahl der vorhandenen Kalilagerstätten und der Werke gering war, wurden seitdem ungeheure neue Kalilager in ganz Mittel-, Nordwestdeutschland und im Elsass erschlossen. So entstanden immer neue Werke und eine gewaltige Überkapitalisation, dergestalt, dass 10–12 Werke mit 100–200 Mill. Mk. Anlagekapital, wenn ihre Leistungsfähigkeit voll ausgenützt würde, den ganzen heutigen Bedarf versorgen könnten, während tatsächlich bei Erlass des Gesetzes 65 fördernde Werke vorhanden waren. Inzwischen ist ihre Zahl bis zum Juli 1913 auf nicht weniger als 142 gestiegen. Einschliesslich der zahllosen Bohrgesellschaften sind mindestens 1½ Milliarden Mk. in der Industrie investiert. Diese Zustände hätten schon längst zur Auflösung des Syndikats und zur Konkurrenz zwischen den Werken führen müssen, wodurch weitere Kapitalinvestitionen in der Industrie verhindert worden wären. Aber man suchte immer wieder das Syndikat zusammenzuhalten und zwar insbesondere mit Rücksicht auf das Ausland. Man fürchtete, dass bei freier Konkurrenz inbesondere Amerika billig Kaliwerke

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/433&oldid=- (Version vom 1.11.2021)