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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

Parlamenten und Körperschaften; Förderung der Verkehrs- und Schulverhältnisse im Kultur- und Wirtschaftsinteresse der Landbevölkerung, grosszügige Bauenansiedlung ohne Restgüter und dadurch Sicherung der Volksernährung und nationalen Wehrkraft, Aufteilung der Latifundien und Einschränkung der Fideikommisse, Verbesserung der Arbeiterverhältnisse auf dem Lande und Schaffung eines grundbesitzenden Arbeiterstandes, Förderung der Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes usw.

Der Deutsche Bauernbund will alle Bauern und Freunde des Bauernstandes ohne Unterschied der Konfession zusammenfassen. Er bekämpft das Gegeneinanderhetzen von Stadt und Land, das demagogische Ausspielen eines Standes gegen den andern. Er will Befreiung des Bauernstandes von unwürdiger Vormundschaft, um demselben auch den ihm gebührenden Platz an der Sonne zu erringen. Die Zukunft unserer Nation erscheint dem Deutschen Bauernbund nur dann gesichert, wenn ein gesunder, kräftiger, frei auf seiner Scholle sitzender deutscher Bauernstand erhalten und weiterhin gefördert wird!





c) Hansabund.
Von
Oberbürgermeister Alfred Knobloch,
Mitglied des Direktoriums des Hansabundes, Berlin.


Die Gründung des Hansabundes am 12. Juni 1909 in Berlin, die unter Teilnahme von etwa 6000 Personen, Vertretern aus allen Kreisen des deutschen erwerbstätigen Bürgertums, erfolgte, hatte zwar zum äusseren Anlass die Reichsfinanzreform, entsprang aber in ihrem inneren Grunde tieferliegenden allgemeinen Verhältnissen.

Die Fundamentaltatsache zur Erklärung dieser Bewegung ist die allmähliche Umwandlung Deutschlands aus einem Agrarstaat in einen Handels- und Industriestaat ohne gleichzeitige proportionale Verschiebung der parlamentarischen Interessenvertretung. Die Übermacht rein agrarischer Interessen in den Parlamenten der Bundesstaaten und des Reichs hat nicht nur der landwirtschaftlichen Gesetzgebung einen an die Zeiten der Ständeprivilegien erinnernden Charakter der Bevorzugung, sondern auch der industriellen und Handelsgesetzgebung den Stempel der Verkehrsfeindlichkeit aufgeprägt.

Das Schulbeispiel ist die Kanalvorlage. Der grösste verkehrspolitische Gedanke der neueren Zeit ist in beiden Häusern Preussens unter dem Gesichtswinkel der prinzipalen Berücksichtigung rein agrarischer Forderungen entschieden worden. Nachdem die Mittellandkanal-Vorlage 1901 gänzlich scheiterte, tauchte sie 1904, verstümmelt und mit gewichtigen Einschränkungen der Verkehrsfreiheit beschwert (Streichung des Mittelteils Hannover-Magdeburg, Schiffahrtsabgaben, Schleppschiffahrtsmonopol) wieder auf. Weitere Etappen auf diesem Wege waren die Bank-Börsen-Spiritus-Stempelsteuer-Gesetzgebung. Den Schluss bildete die Reichsfinanzreform mit ihren einseitigen Konsumsteuern und ihrer Ruinierung der Tabak- und Zündholz-Industrie zu Gunsten der Beseitigung der Erbanfallsteuer, einer Belastung, die den deutschen Bauernstand nahezu garnicht, die übrige deutsche Landwirtschaft unter den denkbar massigsten Bedingungen traf.

Im natürlichen Zusammenhange mit der Zusammensetzung der Parlamente diente die Staatsverwaltung im Reich und in den Bundesstaaten – von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen – in erster Linie oder doch vorwegend agrarischen Interessen. Hinzu trat noch die bekannte Weltfremdheit der deutschen Bureaukratie, sowie ihre Neigung, das der Bewegungsfreiheit zu allererst

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/79&oldid=- (Version vom 5.9.2021)