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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

bedürftige Gewerbe, sei es Industrie, Handwerk oder Handel, in die Zügel fiskalisch bevormundender Reglementierung zu nehmen und dadurch sowohl in Form direkter finanzieller Lasten, wie indirekter Einbussen unberechenbar zu schädigen und dem Auslande gegenüber in dauernde Gefahr des Unterliegens zu bringen.

Die angesichts dessen mehr und mehr zum Bewusstsein kommende Notwendigkeit, allen Erwerbsständen Gleichberechtigung im Staatswesen zu erkämpfen, ist demnach die Ursache, aus der eine Einigung des deutschen gewerbtätigen Bürgertums im Hansabunde für Gewerbe, Handel und Industrie, über alle Gegensätze politischer, konfessioneller und berufsmässiger Natur hinweg, zustande kam.

Die Persönlichkeit, der das Verdienst der Lösung dieser in Deutschland unerhörten und für unmöglich gehaltenen Aufgabe, der Schaffung des Hansabundes, zukommt, ist der ordentliche Honorarprofessor der Rechte an der Universität Berlin, Geheimer Justizrat Dr. Riesser. Seiner umfassenden Kenntnis des modernen wirtschaftlichen Lebens, seiner feurigen Initiative und Beredsamkeit, seiner genialen Vermittlung ist es in der Hauptsache zu danken, dass die verschiedenen, nach dem gleichen Ziele gerichteten Strömungen innerhalb der einzelnen bürgerlichen Berufsstände zu einem einzigen einheitlichen Strome zusammengefasst wurden. Die grosse Idee hat in ihm ihren Apostel gefunden.

Der Kampf, den der Hansabund, unabhängig von besonderen Parteibestrebungen, zu führen hat, ist ein doppelter. Einmal gilt es, die Zusammensetzung der Parlamente nach den oben berührten Gesichtspunkten zu ändern, also bei den Wahlen unter Bekämpfung der Vertreter einseitig agrarischer Interessen die Angehörigen von Gewerbe, Handel und Industrie in ungleich grösserer Zahl als bisher in die Parlamente zu bringen und damit einer gewerbfreundlichen Tendenz der Gesetzgebung und Verwaltung die Wege zu bahnen. Sodann aber ist es Aufgabe des Hansabundes, ausserhalb der Parlamente in Form der Aufklärung in Presse, Bürgertum und Verwaltung, sowie in Gestalt positiver Reformarbeit gegenüber den bestehenden Missständen praktisch den Gründungszweck des Hansabundes zu betätigen.

Dieses Programm des Hansabundes ist in seiner Durchführung den Einzelheiten nach enthalten in den am 4. Oktober 1909 vom Präsidium und Direktorium des Bundes beschlossenen, unter dem 11. Juni 1912 erweiterten

Richtlinien:

I. Der Hansa-Bund ist davon durchdrungen, dass der moderne Staat nur gedeihen kann, wenn der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Erwerbsstände, insbesondere Gewerbe, Handel, Industrie und Landwirtschaft, den leitenden Gedanken und die unverrückbare Grundlage auch seiner Wirtschaftspolitik bildet.
Der Hansa-Bund wird daher mit aller Kraft dahin wirken:
1. dass Deutschlands Gewerbe, Handel und Industrie die ihnen auf Grund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zukommenden Gleichberechtigung sowohl in der Gesetzgebung wie in der Verwaltung und Leitung des Staates nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch eingeräumt und der gewerblichen Arbeit, ihren Vertretern und Angestellten eine bessere Würdigung im Staatsleben zuteil werde.
2. dass der für eine gesunde wirtschaftliche Entwickelung der Nation, für den Frieden im Innern und für unser Verhältnis mit dem Auslande gleich unheilvolle Einfluss jener einseitigen agrar-demagogischen Richtung beseitigt werde, die sich bisher in ihrer praktischen Tätigkeit von entgegengesetzten Grundanschauungen leiten liess.
3. dass den berechtigten Interessen der im Hansa-Bund vereinigten Erwerbsstände, unter voller Achtung der berechtigten Interessen der übrigen Erwerbsstände, sowohl bei dem Abschluss von Handelsverträgen und bei dem Erlass von Gesetzen, Verordnungen und Verfügungen, wie bei deren Durchführung Rechnung getragen werde.
Er wird zu diesem Zweck namentlich verlangen:
a) dass vor dem Abschluss von Handelsverträgen und vor dem Erlass von Gesetzen, Verordnungen und Verfügungen in gewerblichen, kaufmännischen und industriellen Angelegenheiten Sachverständige aus
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/80&oldid=- (Version vom 5.9.2021)