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erwachsenden Finanzbedarfs, soweit eine solche nicht aus anderen Quellen erfolgen kann, dienen sollen.

Es ist daraus zunächst der Grundsatz der Ausreichendheit oder Zulänglichkeit der Steuer abzuleiten, welcher ohne weiteres als in der Natur der Sache begründet erscheint. Die Steuern in ihrer Gesamtheit müssen so zusammengefügt und wiederum in sich abgemessen sein, dass sie als Ganzes ihren Zweck erfüllen, mithin durch ihren Gesamtertrag jeweilig dem Finanzbedarf eine genügende Deckung bieten. Es hat dieses nach beiden Richtungen hin Bedeutung; das Bedürfnis muss voll befriedigt werden; ebensowenig wie der Steuerertrag hinter dem Finanzbedarf zurückbleiben darf, ist aber ein Überschreiten des letzteren zulässig.

Als zweites finanzpolitisches Prinzip ist die Beweglichkeit der Steuer anzuführen. Der durch die Steuern zu deckende Finanzbedarf ist kein in seiner Höhe stetig gleichbleibender. Einerseits bildet, wie schon oben bemerkt, das mehr oder weniger starke Anwachsen desselben, das in engem Zusammenhange mit der Vermehrung und Vertiefung der Aufgaben der öffentlichen Gemeinwesen steht, gewissermassen ein Kennzeichen der neueren Zeit; anderseits wird unter dem natürlichen Wechsel der Verhältnisse oder infolge ausserordentlicher Umstände der Finanzbedarf in den einzelnen Zeiträumen sich verschieden gestalten; er kann einzelne Jahre höher, einzelne Jahre niedriger werden. Diesen Veränderungen im Bedarf muss das Steuersystem von vornherein Rechnung tragen, weil ein Eingreifen in die Steuergesetzgebung, wie es sonst erforderlich sein würde, nur möglichst wenig geschehen darf. Da die einzelnen Steuerarten eine sehr verschiedene Beweglichkeit zeigen, so ist bei der Bildung des Steuersystems darauf zu achten, dass in demselben in einem entsprechenden Masse Steuern mit einer grösseren Beweglichkeit vertreten sind. Bei den Realsteuern ist die Beweglichkeit nur in sehr geringen Grenzen vorhanden, während Verbrauchs- und Ertragssteuern wie Einkommens- und Vermögenssteuern, desgleichen auch Verkehrssteuern sich stets bis zu einem gewissen Grade der jeweiligen allgemeinen und wirtschaftlichen Entwicklung anschliessen werden; bei steigender Bevölkerung, günstiger Entfaltung der Wirtschaftsverhältnisse, wachsendem Reichtum wird sich regelmässig eine Steigerung ihres Ertrages geltend machen und umgekehrt. Sehr zweckentsprechend und ausgiebig lässt sich das Prinzip der Beweglichkeit bei der Einkommens- und Vermögenssteuer durchführen, wenn das Steuergesetz nur einen bestimmten, niedriger gegriffenen Einheitssatz für die Steuer festlegt, dem jedesmaligen Finanzgesetz aber die Bestimmung darüber zuweisst, wie oft dieser Einheitssatz in der Finanzperiode zur Hebung gelangen soll.

b) Volkswirtschaftliche Prinzipien.

Die volkswirtschaftlichen Prinzipien kommen zur Erscheinung einmal in der Wahl der richtigen Steuerquellen und sodann gleicherweise in der Wahl der Steuerarten.

Die regelmässige Steuerquelle darf nur das Nationaleinkommen bilden, welches dauernd lediglich so in Anspruch zu nehmen ist, dass das Nationalvermögen und das Nationalkapital geschont wird; nur in Ausnahmefällen (Staatsnotstand, Krieg) darf auf letztere vorübergehend zurückgegriffen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Einzelvermögen sich nicht stets und vollkommen mit dem Nationalvermögen deckt; deshalb erscheint eine strengere Schonung, wie sie beim Nationalvermögen angebracht, für das Einzelvermögen oder das Privatkapital nicht geboten. Es ergibt sich daraus, dass unter Umständen auch das Einzelvermögen als regelmässige Steuerquelle dienen kann, wobei wiederum eine Unterscheidung nach dem Ursprung (Vermögen aus eigener Arbeit, Vermögen ohne eigene Leistung) und nach dem Zwecke (Gebrauchsvermögen, Kapital) zu machen sein wird. In erster Linie wird aber immer das Einzeleinkommen als die hauptsächlichste regelmässige Steuerquelle hinzustellen sein.

Bei der Wahl der Steuerarten ist namentlich die Wirkung auf den Steuerzahler zu berücksichtigen. Hier muss die Steuerüberwälzung eine grosse Rolle spielen, d. i. die im Verkehr sich verwirklichende Übertragung der Steuerlast von dem Steuerzahler auf einen Dritten, den Steuerträger; sie kann als Fortwälzung oder als Rückwälzung sich äussern. Die wesentliche und nicht voll zu beseitigende Schwierigkeit liegt in den tatsächlichen Verhältnissen,

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/90&oldid=- (Version vom 6.9.2021)