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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

den Verkauf der ärztlichen Praxis und schliesslich die Heranziehung der Ärzte zur Gewerbesteuer.

Rechte des Arztes.

Die Ausübung der Krankenbehandlung steht nach der Gewerbeordnung jedermann im Deutschen Reiche frei. Welche Rechte verleiht demgegenüber die Approbation als Arzt?

1. Zunächst und vornehmlich das Recht, den Titel „Arzt“ zu führen.

Nach § 147 III Abs. 3 der Gewerbeordnung wird mit einer Geldstrafe bis zu 300 M und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft, „wer, ohne hierzu approbiert zu sein, sich als Arzt (Wundarzt, Augenarzt, Geburtshelfer, Tierarzt) bezeichnet oder sich einen ähnlichen Titel beilegt, durch den der Glaube erweckt wird, der Inhaber desselben sei eine geprüfte Medizinalperson.“ Auch kann die unberechtigte Führung eines solchen Titels wegen unlauteren Wettbewerbs strafbar sein. Nach deutschem Recht gilt daher auch ein im Auslande approbierter praktizierender Arzt innerhalb des Deutschen Reichs nicht als „Arzt“, nach neueren Entscheidungen ist auch zweifelhaft, ob er sich „im Auslande approbierter Arzt“ nennen darf. Über das, was im übrigen als arztähnlicher Titel oder nicht zu verstehen ist, liegt eine umfangreiche Rechtsprechung vor.

2. Nach der schon erwähnten Promotionsordnung vom 1. Oktober 1900 darf in der Regel nur ein approbierter Arzt zum Doktor der Medizin promoviert werden.

3. Nach § 29 der Gewerbeordnung darf nur ein approbierter Arzt von Staat oder Gemeinden als Arzt anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut werden.

Das gleiche gilt von allen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Provinzen, Kreisen, Gemeindeverbänden und den Körperschaften der sozialen Versicherung. Während unter dem bisherigen Krankenversicherungsgesetz gelegentlich Krankenkassen sich für befugt hielten, nicht approbierte Personen mit ärztlichen Funktionen zu betrauen, bestimmt § 122 der neuen Reichsversicherung ausdrücklich, dass die ärztliche Behandlung im Sinne des Gesetzes durch „approbierte“ Ärzte, bei Zahnkrankheiten durch approbierte Zahnärzte zu leisten ist.
Nur unter bestimmten Voraussetzungen sind nach §§ 122 und 123 Ausnahmen zulässig.
Zu den den Ärzten vorbehaltenen Funktionen gehören namentlich:
Impfung (Gesetz vom 8. April 1874), Tätigkeit als Schiffsarzt (nach der Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 14. März 1898 muss jedes Schiff zur unentgeltlichen Behandlung der Auswanderer einen Arzt an Bord haben), als Armenarzt, Schularzt, Polizei-Gerichts-Gefängnisarzt (soweit nicht Medizinalbeamte in Betracht kommen), das Ausstellen ärztlicher Atteste und Gutachten.

4. Das Recht, bestimmte starkwirkende Arzneimittel zu verordnen, ist durch Bundesratsbeschluss vom 13. Mai 1896 den Ärzten vorbehalten.

5. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen Ärzte in abgelegenen Gegenden, in denen eine Apotheke oder eine Filialapotheke nicht bestehen kann, eine Hausapotheke halten und für ihre Patienten die Arzneien selbst abgeben und verkaufen.

6. Ausübung der Heilkunde im Umherziehen, ist nach § 56 a der Gewerbeordnung im allgemeinen verboten, den approbierten Ärzten erlaubt. Von diesem Recht wird indes wenig Gebrauch gemacht, auch wurde es mehrfach ehrengerichtlich beanstandet.[1]


  1. Ausser diesen eigentlichen Rechten gewährleistet die Approbation eine Anzahl von Vorrechten.
    1. Die Militärpflicht braucht nur im ersten Halbjahr mit der Waffe geleistet zu werden, das zweite Halbjahr kann der Approbierte als einjährig-freiwilliger Arzt dienen.
    2. In Frieden und Krieg ist der Arzt von der Pflicht, Vorspann und Fourage zu leisten, so weit befreit, als Pferde und Fourage für die Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit notwendig sind.
    3. Öffentliche Ehrenämter darf der Arzt z. T. ablehnen. So nach § 35 Nr. 3 und § 85 des Gerichtsverfassungsgesetzes das Amt des Geschworenen und des Schöffen. In den meisten Bundesstaaten kann er auch durchweg oder unter bestimmten Voraussetzungen kommunale Ehrenämter ablehnen.
    4. Ärztliche Hilfeleistung beim Zweikampf ist straflos. (§ 209 Strafgesetzbuch).
    5. Das Zeugnis über dem Arzte anvertraute Tatsachen darf verweigert werden im Zivilprozess (Z.P.O. § 383), im Strafprozess (St.P.O. § 52) und im Militärstrafgerichtsprozess (M.St.P.O. § 188).
    6. Pfändung ist ausgeschlossen von Gegenständen, die zur Ausübung des ärztlichen Berufs notwendig sind und von entsprechend anständiger Kleidung (Z.P.O. § 811 Nr. 7), auch hat hieran der Vermieter kein Pfand- und Zurückbehaltungsrecht (B.G.B. § 850).
    7. Bei Konkursen haben Aerzte ein Vorrecht für Kur- und Pflegekosten aus dem letzten Jahre (K.O. § 61).
    8. Das Amt als Trichinenschauer kann dem Arzte ohne besondere Prüfung übertragen werden.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/107&oldid=- (Version vom 15.12.2023)