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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

sie bezog sich zunächst auf das Einzelobjekt, nicht auf Gesamtwirkungen, und ihr Ziel war womöglich die museale Verwahrung. Die Erhaltung der Kunst im Leben und für das Leben des Alltags, das war die neue Forderung des Heimatschutzes“ (Giannoni).

Es dauerte noch 7 Jahre, bis die Anregungen Rudorffs im Jahre 1904 zur Gründung des deutschen „Bundes Heimatschutz“ führten; inzwischen war die Sache schon seit Jahren besonders von Paul Schultze-Naumburg in seinen „Kulturarbeiten“, von Avenarius im „Kunstwart“ und „Dürerbund“, von Sohnrey in seiner ländlichen Wohlfahrtspflege und von lokalen Vereinen wie dem bayrischen „Verein für Volkskunde und Volkskunst“, dem Hannoverschen Verein „Niedersachsen“ u. a. theoretisch und praktisch betrieben worden. Die Arbeitsgebiete des Bundes Heimatschutz sind: „Denkmalpflege; Pflege der überlieferten ländlichen und bürgerlichen Bauweise; Schutz des Landschaftsbildes, einschliesslich der Ruinen; Rettung der einheimischen Tier- und Pflanzenwelt, sowie der geologischen Eigentümlichkeiten; Volkskunst auf dem Gebiet der beweglichen Gegenstände; Sitten, Gebräuche, Feste und Trachten.“ Er ist heute eine mächtige Organisation mit vielen Einzelmitgliedern und 18 Landesvereinen (der grösste der württembergische mit 3300 Mitgliedern). Ausserhalb desselben stehen heute in Deutschland nur noch der genannte ältere bayrische Verein und der später begründete „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz.“ Dagegen ist seine Organisation auch im Auslande, insbesondere in der Schweiz und in Österreich, nachgebildet worden, während in Frankreich die nur auf den Naturschutz sich erstreckende, schon genannte „Société pour la protection des paysages de France“ besteht, und in England der aus Ruskins Lehren hervorgegangene, schon 1894 gegründete „National Trust for Places of Historic Interest or Natural Beauty“ die Sammlung von Geldmitteln zur Erwerbung solcher gefährdeter Objekte und ihre Verwandlung in Nationaleigentum zu seiner Hauptaufgabe gemacht und auf diesem Gebiete auch schon sehr bedeutende Erfolge erzielt hat. Im Jahre 1909 hat, von der genannten französischen Gesellschaft einberufen, auch schon ein erster Internationaler Kongress für Heimatschutz in Paris stattgefunden, ein zweiter, vom deutschen Bund Heimatschutz veranstaltet, ist 1912 in Stuttgart gefolgt, und im Jahre 1911 hat zum erstenmal eine „Gemeinsame Tagung für Denkmalpflege und Heimatschutz“ als gemeinschaftliche Veranstaltung des Denkmaltages und des Bundes Heimatschutz in Salzburg stattgefunden und wird in Zukunft alle zwei Jahre wiederholt werden. (Die 2. fand 1913 in Dresden statt.)

Diese so rasch angewachsene Kulturbewegung des Heimatschutzes ist auch von den deutschen Staatsregierungen zum Teil, so zuerst in Sachsen, eifrig aufgegriffen und unterstützt worden; in Bayern und Württemberg sind besondere staatliche oder halbstaatliche „Landesausschüsse für Naturschutz“ bezw. „Natur- und Heimatschutz“ (in Bayern als Ergänzung für den genannten Verein, welcher den Naturschutz nicht umfasst, in Württemberg in Konkurrenz mit dem Landesverein des deutschen Bundes) geschaffen und in Preussen (und Hohenzollern) die schon erwähnte aus dem Heimatschutz hervorgegangene „Staatliche Stelle für Naturdenkmalpflege“ errichtet worden. Ferner aber ist es auch in Preussen und Sachsen bereits zu besonderen Heimatschutzgesetzen gekommen. Das preussische Gesetz vom 15. Juni 1907 „gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden“, eine Fortsetzung eines früheren Gesetzes von 1902, hat zunächst in Preussen wirksame Handhaben für die Ausübung des Heimatschutzes (einschliesslich der Denkmalpflege) geschaffen, aber allerdings den Schwerpunkt vielleicht zu sehr auf von den Gemeinden zu erlassende, aber nicht erzwingbare Ortsstatute gelegt. Auf seiner Grundlage beruht auch das sächsische „Gesetz gegen Verunstaltung von Stadt und Land“ vom 10. März 1909, aber es hat den Vorzug, dass es eine Erzwingung solcher Ortsstatute bezw. ihren Erlass durch das Ministerium des Innern vorsieht und den Landschaftsschutz auf das ganze Land, nicht nur auf einzelne landschaftlich hervorragende Gegenden ausdehnt. Damit ist in beiden Ländern auf diesem Gebiet (insbesondere also auch dem der Reklame) wenigstens den schlimmsten Missständen vorläufig gesteuert. In den anderen deutschen Staaten wird ein gleiches zum Teil durch die Polizeiordnungen oder durch Spezialverordnungen oder durch die erwähnten neuen Landesbauordnungen ermöglicht. In Frankreich hat man

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/178&oldid=- (Version vom 27.11.2021)