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neuerdings (1912), den Versuch gemacht, die Reklame durch eine Erdrosselungssteuer zu bekämpfen.

Für die bisherigen Erfolge und künftigen Aussichten der ganzen Heimatschutzbewegung, insbesondere auch für die Durchführung der schon geschaffenen oder noch zu schaffenden gesetzlichen Bestimmungen und Verordnungen ist aber zwischen den zwei grossen Aufgaben zu unterscheiden, welche der Heimatschutz – wie ihn die moderne deutsche Heimatschutzbewegung versteht – umfasst, und bei welchen die zu überwindenden Schwierigkeiten eine sehr verschieden grosses Mass aufweisen: einmal die wirkliche Erhaltung grosser einzigartiger Schönheitswerte der Natur oder der früheren Kultur, die in ihrer Art unersetzlich sind, und dann die Fürsorge dafür, dass an Stelle der hunderte und tausende von Schönheiten unserer deutschen Heimat, die nicht gross genug sind, um ihre Erhaltung mit wirtschaftlichen Opfern zu rechtfertigen, die – man mag es noch so sehr bedauern – der unaufhaltsam fortschreitenden Entwickelung zum Opfer fallen müssen, neue Schönheiten im alten Geiste treten: eine neue Kultur, die anknüpft an die vollständig preisgegebene alte Tradition, ein neuer eigen-, nicht fremdartiger heimatlicher Stil, der die alten Formen neuen Bedürfnissen anpasst – statt der geist- und charakterlosen, alles nivellierenden Hässlichkeit unserer jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Diese zweite positive, moderne Seite des Heimatschutzes ist von grösster Bedeutung und beweist, dass er viel mehr als blosse Romantik ist. Er trifft hier zusammen mit dem Grundsatz der modernen Kunstbewegung: Wahrheit und Echtheit, und seine Forderungen sind wie diese im letzten Grund ethischer Natur.

Von diesen beiden Aufgaben ist nun aber die zweite unstreitig die sehr viel leichtere, und auf diesem Gebiete sind daher auch bis jetzt die meisten Erfolge erzielt worden. Es ist bereits durch zahlreiche Versuche erwiesen, dass den Grundsätzen des Heimatschutzes entsprechende Bauformen nicht höhere, sondern vielfach sogar niedrigere Kosten erfordern, als die weniger einfachen geschmacklosen, auf Anpassung an die Umgebung keine Rücksicht nehmenden Schöpfungen des gewöhnlichen, künstlerisch nicht gebildeten Bauunternehmers – also auch zugleich „wirtschaftlicher“ sind. So ist vor allem die Pflege der „heimischen Bauweise“ allerorten mit grossem Erfolge betrieben worden und wird besonders durch die „Bauberatungsstellen“ gefördert, welche teils der Staat, teils Heimatschutzvereine oder Kleinwohnungsverbände in den verschiedenen deutschen Ländern ins Leben gerufen haben.

Die grossen Schwierigkeiten und Konflikte ergeben sich für den Heimatschutz vielmehr auf dem ersten Gebiet: da, wo es sich um wirkliche Erhaltung handelt. Denn hier kommt er, nachdem die Zeit des gedankenlosen Zerstörens wohl so ziemlich vorüber, und auch die Gefährdung durch Restaurieren im Schwinden begriffen ist, vor allem in einen – wirklichen oder scheinbaren – Gegensatz zu der modernen wirtschaftlichen Entwickelung. Sehr oft ist es allerdings nur ein scheinbarer, der bei genauerer Prüfung und Abwägung der widerstreitenden Interessen hinfällig wird: so namentlich bei den besonders in Mittel- und Kleinstädten aus einer gewissen Grossstadtsucht heraus geborenen und so oft masslos übertriebenen Forderungen des „Verkehrs“. Hier wird eine ernste Prüfung der wirklichen sachlichen Notwendigkeit sehr oft zur Rettung einer gefährdeten natürlichen oder historischen Schönheit genügen. Aber auf einem anderen Gebiete, das in der jüngsten Gegenwart und in der kommenden Zukunft eine immer grössere Bedeutung beansprucht, besteht ein wirklicher offener Gegensatz der schwersten Art: nämlich bei der Ausnützung der Wasserkräfte für den Verkehr und vor allem die Industrie und der Gefährdung hervorragender landschaftlicher Schönheiten durch sie.

Zwar ist auch da von einer höheren Warte aus gesehen, ein dauernder Gegensatz zwischen den ästhetischen und den wirtschaftlichen Interessen nicht vorhanden: denn auch für die wirtschaftliche, besonders auch die industrielle Leistungsfähigkeit eines Volkes sind, wie uns wiederum Ruskin gelehrt hat, solche Schönheitswerte unentbehrlich und machen sich auf die Dauer sogar bezahlt. Es gibt also auch einen volkswirtschaftlichen Wert und eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit des Schönen und damit auch des Heimatschutzes. Aber für die einzelne Privatwirtschaft handelt es sich dabei zweifellos in der Regel um wirtschaftliche Opfer, die gebracht werden müssen, um eine Einschränkung der Erwerbsfreiheit, des modernen Kapitalismus, des

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/179&oldid=- (Version vom 27.11.2021)