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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Strebens nach dem höchstmöglichen Gewinn. Solche Einschränkungen haben wir aus hygienischen und humanitären Gründen schon in grosser Zahl – es sei nur an Bau- und Feuerpolizei und Arbeiterschutzgesetzgebung erinnert –, und erst neuerdings und langsam kommt die Erkenntnis zum Durchbruch, dass sie auch aus ästhetischen Gründen im Gesamtinteresse notwendig sein können.

Allein es kann, wo es sich um die Schaffung neuer Industrien durch eine solche Ausnützung der Wasserkräfte handelt, unter Umständen sehr wohl nicht nur ein privatwirtschaftliches, sondern auch ein volkswirtschaftliches Interesse für diese Ausnützung sprechen und daher mit jener allgemeinen volkswirtschaftlichen Bedeutung des Heimatschutzes in Konflikt geraten. Hier kommt es dann durchaus auf eine Untersuchung und Abwägung von Fall zu Fall an, auf die Prüfung der Notwendigkeit und Nützlichkeit dieser neuen Industrie, durch welche vielleicht schon bestehende andere ruiniert werden, in letzter Linie auf die ganze grosse Frage des „Industriestaats“ und seiner Bedeutung für die Menschheitskultur – lauter Fragen, die der Heimatschutz nicht lösen kann. Von seinem Standpunkt aus kann generell hier nur gesagt und verlangt werden, dass eine solche Prüfung in jedem Falle auf das gewissenhafteste erfolgen, und dass durchaus nicht immer und ausnahmslos der Heimatschutz vor der Industrie kapitulieren muss.

Es gibt in den Schönheiten unserer Heimat ideale Werte von solcher Grösse, dass kein Vorteil neuer industrieller Entwickelung ihre Vernichtung aufwiegen kann. In solchen Fällen muss daher vom Standpunkt des Heimatschutzes aus entweder ein Kompromiss gefordert werden, wie er mittelst eines Wettbewerbs von Technikern und Künstlern in den meisten Fällen geschaffen werden kann, wenn nur auf die volle Ausnützung der Naturkräfte verzichtet wird, oder aber, wenn dies nicht möglich ist, so muss die wirtschaftliche Entwickelung hier zurückweichen vor den immateriellen Interessen – oder vielmehr die Volkswirtschaft von heute vor der Volkswirtschaft der Zukunft.

So spitzt sich der Heimatschutz letzten Endes immermehr zu zu einem „Schutz gegen den Kapitalismus“[1]: der Schutz, welchen in der heutigen „sozialen“ Periode der Volkswirtschaft die Menschen – als Konsumenten und Arbeiter – schon in so weitgehendem und stets wachsendem Mass vor dem Kapitalismus gemessen, muss auch dem Land und der Heimat zu teil werden.





85. Abschnitt.


Kunstpflege und Kunsterziehung.
Von
Geh. Regierungsrat Dr. Peter Jessen,
Direktor am Kgl. Kunstgewerbemuseum, Berlin.

Die Kunst, die freieste und persönlichste Äusserung der Menschenseele, ist am gesundesten solange sie der bewussten Pflege nicht bedarf und keine Aufgabe der Politik bildet; dort etwa, wo der Liebende der Geliebten zu Gefallen singt und der Gläubige das Bild seines Gottes schnitzt.


  1. Vgl. Sombart Gewerbewesen II S. 118 (Slg. Göschen).
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/180&oldid=- (Version vom 28.11.2021)