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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Es handelt sich also um eine beträchtliche Gesamtvermehrung des aktiven Dienststandes in der Stärke einer Kopfzahl von etwa 4 Armeekorps, was gleichzeitig eine Verjüngung der Reserveformationen bedeutet und die Mobilmachung erleichtert. Man darf künftig (1915) mit einer Friedensetatsstärke von etwa 31 500 Offizieren, 2500 Sanitätsoffizieren, 6000 höheren und niederen Beamten und Veterinären, 107 000 Unteroffizieren und (einschl. der Freiwilligen) 675 000 Mannschaften, zusammen mit einer Kopfstärke der Armee im Frieden von ungefähr 820 000 Köpfen – 1,22 v. H. der Bevölkerung und 157 000 Dienstpferden rechnen.[1]

Die vermehrte Rekruteneinstellung soll vor allem dazu dienen, den Friedensstand der vorhandenen Truppenteile zu erhöhen (besonders erhalten die Grenztruppen hohe Etats) unter wesentlicher Vereinfachung der Etats. Durch die so verbesserte, der kriegerischen Verwendung mehr entsprechende Zusammensetzung der Truppenteile erfährt das Heer einen Zuwachs an schneller bereiter Kampfkraft, wird ihm, da die Kaders des mobilzumachenden Feldheeres nun in grosser Stärke schon im Frieden vorhanden sind, der Übergang in den Kriegszustand erleichtert, werden die im Mobilmachungsfall einzureihenden Jahrgänge des Beurlaubtenstandes verjüngt und verstärkt. Im wesentlichen tragen also die jungen, tatkräftigen und sorgloseren Linientruppen die Lasten des Kampfes, sie fesseln meist noch nicht Familie und festgegründete Wirtschaft. Im übrigen werden nur einzelne Neuformationen (darunter auch eine Reihe höherer Kommandobehörden), aber keine neuen grossen Truppenverbände aufgestellt. So bei den Jägern Radfahrerkompagnien, dann die Inspektion des Maschinengewehrwesens, 15 Festungsmaschinengewehr- und 15 Festungsfernsprechabteilungen, die Fabrikabteilung des Kriegsministeriums. Auch wird die reitende Artillerie zweckmässiger gegliedert unter Beibehalt der Gesamtgeschützzahl. (Kleine Batterien zu je 4 Geschützen, aber mit derselben Zahl von Munitionswagen). Ferner wird die Trennung von Feld- und Festungspionieren weiter durchgeführt und Festungs-Regimenter zu 2 Bat. gebildet. Zur Erhöhung der Schlagfertigkeit, Zuverlässigkeit der Mobilmachung und des inneren Werts des Heeres, besonders der Reserveformationen, werden das Offizier- und Unteroffizierkorps wesentlich verstärkt und dadurch die bisher ungünstigen Altersverhältnisse besonders der Offiziere verbessert. Auch die Sanitätseinrichtungen, die Übungs- und Schiessplätze werden erweitert (46 Mill. M.), ebenso der Rahmen der grossen Truppenübungen, sowie die Vermehrung der Übungen des Beurlaubtenstandes geplant, die Beschaffung von Kriegsmaterial aller Art wird beschleunigt. Auch ist ein rascherer und vermehrter Ausbau der Festungen vorgesehen (210 Millionen), besonders an der Ostgrenze (Graudenz vor allem), neue Mittel werden für die Luftflotte gefordert (79 Mill.) und eine bessere Verpflegung der Mannschaften – der Magen ist das „Fundament der Armeen“ – durch Bereitstellung von besonderen Mitteln angestrebt.

Die Durchführung sämtlicher Massnahmen ist bei den drei Hauptwaffen in anbetracht ihrer Dringlichkeit, soweit möglich, für den Oktober 1913 geplant. Nur bei den Spezialwaffen zwingen Rücksichten organisatorischer Art zu einer Verteilung der Durchführung auf einige Jahre. Dagegen werden die in den Gesetzen vom 27 III. 11/14. VI. 12 angeordneten organisatorischen Massnahmen schon im Herbst 1913 (statt 1914 und 1915) durchgeführt.

Hiernach gibt es also heute (abgesehen von den Schutz- und Besatzungstruppen der Kolonien) mit dem Preussischen Gardekorps 25 deutsche Armeekorps[2] (gewöhnlich zu je 2 Infanterie-Divisionen, die aus Infanterie, Kavallerie und Feldartillerie zusammengesetzt sind) und den dem Generalkommando unmittelbar unterstellten Truppen (Fussartillerie, Pioniere, Train usw.). Nur das Gardekorps hat noch 1 besondere Kavallerie-Division, das I. und XIV. A.-K. je 3 Infanterie-Divisionen.

Diese unter 8 Armee-Inspektionen stehenden Korps werden sich bis 1915 endgültig gliedern in 50 Divisionen, 1 Kavallerie-Division [106 Infanterie-Brigaden in 217 Regimentern und 55 Kavallerie-Brigaden mit 110 Regimentern, 18 Jägerbataillone mit 18 Radfahrkompagnien,


  1. Hiervon beträgt in den Jahren 1913 und 1914 die Vermehrung 95 774 Mann und 24 772 Pferde und zwar bei der Infanterie 63 364 Mann, 762 Pferde, der Kavallerie 7645 Mann, 8435 Pferde, Feldartillerie 11 511 Mann, 11 996 Pferde, Fussartillerie 5220 Mann und 42 Pferde, Pionieren 2139 Mann und 25 Pferde, Verkehrsgruppen 4375 Mann und 1132 Pferde, und Train 1520 Mann und 1350 Pferde.
  2. Frankreich hat einschl. der in Nordafrika stehenden Truppen und des Kolonialkorps bisher 21 Armeekorps mit 659 Bat. Inf., 445 Eskadrons, 16 reitende, 634 fahrende Batterien, 20 Pionierbataillone, 6 Bat. Verkehrstruppen in 46 Infanterie-, 10 Kavallerie-Divisionen. Am 1. April 1914 wird ein neues (XXI.) Armeekorps gebildet. Zu diesem nach Durchführung der 3jährigen Dienstzeit etwa 840 000 Köpfe im Frieden starken Feldheer I. Linie treten im Kriege noch 13 Reserve-Divisionen, so dass dann die Feldarmee 2,96 Mill. Köpfe = 7,4 v. H. der Bevölkerung zählen wird (gegen 3 Mill. = nur 4,5 v. H. in Deutschland). Der grösste Teil – 20 Armeekorps, 10 Kav. Div. – soll gegen Deutschland verwendet und auf 12 zwei- und mehrgleisigen Bahnen nach dem Aufmarschgebiet geschafft werden, wo im Frieden im Raum Belfort–Verdun schon 3 Korps und 3 Kav. Div. davon stehen. Die letzte Linie bildet dann das Besatzungsheer (Reserven und Territorialtruppen).
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/305&oldid=- (Version vom 11.12.2021)