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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

die aus (317) Landwehrbezirkskommandos als Ersatzbezirken bestehen. Letztere haben die Listenführung für Aushebung und Ersatz sowie Mobilmachung und die Kontrolle des Beurlaubtenstandes, sowie die Angelegenheiten der inaktiven Offiziere. Sie werden in die verschiedenen Kontrollbezirke (Kompagnie- Bezirke, Hauptmelde- und Meldeämter sowie Aushebungsbezirke) geteilt. Das Grossherzogtum Hessen bildet einen Bezirk zu 2 Brigaden für sich. Um die Truppe zu entlasten und für den Kriegsfall einen Vorrat geeigneter Führer zu schaffen, besteht das Bestreben, die die Dienstobliegenheiten der Brigaden erfüllenden Landwehrinspektionen (heute) zu vermehren (im neuen Gesetz um 14).[1]

Das Ersatzgeschäft setzt sich im Frieden aus der Vorbereitung, Musterung und Aushebung zusammen, wobei der Sanitätsoffizier eine wichtige Rolle spielt. Das jährliche Rekrutenkontingent, etwa 0,[WS 1] v. H. der Bevölkerung, bestimmt der Kaiser. Die Ergänzung geschieht territorial, abgesehen von den Gardemannschaften und Polen. Das Reichsland (XV., XVI. und XXI. A.-K.) bezieht erst seit dem 1. V. 04 seinen Ersatz aus Elsass-Lothringen. Bürgerliche Verhältnisse werden tunlichst berücksichtigt. Nachersatz wird den Truppenteilen nur gestellt, wenn die überetatsmässige Rekrutenquote vor dem 1. Februar aufgebraucht ist, abgesehen von aus dem Auslande zurückkehrenden tauglichen Pflichtigen, deren Einstellung jeder Zeit erfolgen darf. Im Preuss. Kriegsministerium wird 1914 eine (9.) Abteilung für Ersatzwesen gebildet.

Während der 7jährigen Dienstpflicht im stehenden Heer (Fahne und Reserve) dienen die Mannschaften der Kavallerie, reitenden Artillerie (und als Kraftwagenführer kommandierte sowie als Trainsoldaten ausgehobene Arbeitssoldaten) die ersten 3, alle übrigen Mannschaften die ersten 2 Jahre ununterbrochen bei der Fahne (aktive Dienstpflicht), den Rest bei der Reserve. Die daran schliessende Landwehrpflicht dauert beim I. Aufgebot 5 Jahre, beim II. bis 31. III. des Kalenderjahres, in dem das 39. Lebensjahr vollendet wird. Reserve und Landwehr bilden den Beurlaubtenstand, in den jeder Soldat seiner Waffe entlassen wird und wo er, bei der Landwehr nur im I. Aufgebot, zu Übungen verpflichtet ist. Wegen hoher Losnummer (Überzählige) oder geringer körperlicher Fehler (zeitlich Untaugliche) usw. nicht im stehenden Heere Eingestellte leisten vom 20. Lebensjahr ab eine 12 jährige Ersatzreservepflicht (3 Übungen ohne Waffe zu 10, 6 und 4 Wochen), nach deren Ablauf sie in die Landwehr II. Aufgebots auf 6 Jahre übertreten, die übrigen – nicht geübte – Ersatzreservisten gehen gleich in den Landsturm I. Aufgebots über. Die Ersatzreserve hat bei Mobilmachungen das Heer zu ergänzen und Ersatztruppenteile zu bilden. Augenblicklich wird sie nicht zu Übungen eingezogen, obwohl sich das schon aus Gerechtigkeitsgründen empfähle. Aber dieser Notbehelf liefert dann auch wenigstens vorgebildete Rekruten für den Kriegsfall. Es sind jährlich immerhin an 90 000 Mann. Aus der Landwehr II. Aufgebots erfolgt für alle Dienstpflichtigen von selbst der Übertritt in den Landsturm II. Aufgebots. Zum Landsturm I. Aufgebots gehören alle Pflichtigen des Landsturms bis zum 31. III. des Kalenderjahres, in dem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, darauf bilden sie das II. Aufgebot. Der Landsturm (I. und II. A.) besteht demnach aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre (28 Jahre), die weder dem Heer noch der Marine angehören. Er wird durch Kaiserliche Verordnung oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr durch die Kommandierenden Generale, Gouverneure und Kommandanten von Festungen aufgerufen.

Jeder Militärpflichtige muss sich bei der Musterung freiwillig zur Aushebung (für 2, 3 oder 4 jährigen Dienst) melden. Die mit Meldeschein versehenen Freiwilligen können sich den Truppenteil wählen. An Freiwillige (abgesehen von Unteroffizierschulen) dürfen die zulässig geringsten körperlichen Anforderungen gestellt werden. Im übrigen sind für die verschiedenen Waffengattungen für den Dienst mit der Waffe kleinste und zuweilen auch grösste Körpermasse angeschrieben. Von den Garderekruten (ausgenommen leichte Kavallerie und Fussartillerie einschl. Bespannungsabteilungen sowie Telegraphentruppen) muss wenigstens die Hälfte 1,75 m und darüber gross sein, auch werden nur die körperlich und geistig Begabtesten von untadelhafter Führung angenommen. Für den Dienst ohne Waffe ist keine Grösse vorgeschrieben. Ausländer bedürfen zum Eintritt in das Heer der Genehmigung des Kontingentsherrn.

Die Ersatzverteilung der (bisher etwa 275 000) Einzustellenden bestimmt die Wehrordnung. Die künftige Mannschaftsstärke (einschl. Einjährige) wird etwa 675 000 Köpfe betragen. Die Löhnung ist seit dem 1. X. 12 auf jährlich 126 (Berittene) bzw. 108 M. erhöht worden. Das neue Wehrgesetz sieht eine bessere Verpflegung und freie Urlaubsreisen in die Heimat vor. Für Kranke und Erholungsbedürftige gibt es Genesungsheime und Militärkurhäuser (neben den Garnisonlazaretten).

Die Unteroffiziere – 1912 waren 90 416 etatsmässig, künftig etwa 107 000 – ergänzen sich aus den Unteroffizierschülern (jährlich etwa 1800 aus den 9 Schulen)[2] oder meist aus der Truppe durch Kapitulation auf 1 oder 2 Jahre (1912 waren dies 8930) von feld- und garnisondienstfähigen Mannschaften, durch die ein wesentlicher Nutzen für den Dienst zu erwarten ist, und die nicht 12 Jahre oder länger gedient haben (ohne Doppelrechnung der Kriegsjahre). Der Unteroffizierersatz wird in erster Linie durch Sicherstellung seiner Zukunft nach dem Ausscheiden, Besserstellung der Unteroffiziere und Kapitulanten hinsichtlich der Verpflegung und Gewährung von einzelnen besonderen Zuschüssen gewonnen. Auch sonst wird eine gehobene Stellung des Unteroffizierkorps angestrebt, dessen staatsrechtliche Grundlage das Beamtenrecht bildet. Einzelne Kategorien erhalten Gehalt, die Mehrheit der Unteroffiziere Löhnung nach der Fr. Bes. V. v. 26. X. 11.

Die Sanitätsunteroffiziere gehören zum Sanitätskorps, im übrigen gelten für sie dieselben Grundsätze.


  1. In Württemberg gibt es einen vom Kriegsministerium ressortierenden Ober-Rekrutierungsrat als Ersatzbehörde III. Instanz.
  2. Ausserdem gibt es 9 Unteroffiziervorschulen, zu denen noch zwei neue jetzt in Preussen geschaffen werden, während die bestehenden preussischen und sächsischen Unteroffizier- und Vorschulen verstärkt werden. Nur die militärischen Hochschulen, vor allem die Kriegsakademie, haben leider keine Vermehrung oder Vergrößerung erfahren.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zahl fehlt in Digitalisat wie in vorliegendem Exemplar des Einstellers A. W.
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/308&oldid=- (Version vom 11.12.2021)