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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Schutzmannschaft und in der Heeresverwaltung, sowie durch Aufnahme in Invalidenhäusern. Um den Anreiz zur Kapitulation im Heere zu erhöhen, dabei zugleich eine Verminderung der im Zivildienst zu versorgenden Militäranwärter herbeizuführen und eine merkliche Entlastung der Zivilversorgung im Reichs-, Staats- und Kommunaldienst zu erzielen, hat das Versorgungsgesetz für die Unterklassen des Reichsheeres usw. zweckdienliche Änderungen gelegentlich des neuen Wehrgesetzes erfahren (Erhöhung der laufenden Zivilversorgungsentschädigung und der einmaligen Geldabfindung). Nur die Verhältnisse bei der Versorgung der inaktiven Offiziere sind die alten ungünstigen geblieben, besonders für die Altpensionäre fehlt die „rückwirkende Kraft“ des neuen Pensionsgesetzes.

Für jeden Krieg wird zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit ein Kriegsjahr hinzugerechnet. Für die Schutztruppen kommen noch einige Sonderbestimmungen dazu. Die allgemeine und die Kriegsversorgung der Witwen und Waisen regelt das Hinterbliebenengesetz v. 17. V. 07.

Der Pensionsfonds beträgt 131 989 000 M. Er ist seit 1888/9 für Offiziere um 143,3 v. H., für Mannschaften um 453,9 v. H. gewachsen.

8. Heereskosten und finanzielle Kriegsbereitschaft.

Die Kosten des Heereswesens haben alle Bundesstaaten gleichmässig zu tragen. Ein spezialisierter Militäretat wird im Haushaltgesetz unter gleichmässiger Mitwirkung von Bundesrat und Reichstag festgesetzt. Die so bestimmten Ausgaben werden durch die Kontingentsverwaltungen für Rechnung des Reichs geleistet: es gibt nur einen Reichsmilitärfiskus. Für die Aufbringung der Kosten gilt heute der volkswirtschaftlich wichtige Grundsatz: Keine Ausgabe ohne Deckung. Ersparnisse dürfen lt. Art. 67 der Verfassung unter keinen Umständen den einzelnen Regierungen zufallen, sondern nur der Reichskasse.

Von 1872 bis 1910 wurden über 25 Milliarden M. für die Armee ausgegeben, davon 1910 allein an dauernden Ausgaben 706 805 600 M., an einmaligen 776 636 000 M., an ausserordentlichen 22 499 100 M., für Pensionen 118 352 000 M., zusammen 1 624 292 700 M.[1] 1912 betrugen (bei einem Gesamtetat des Reichs an Einnahmen und Ausgaben von 2 819 363 530 M. und 66,6 Millionen an Bevölkerung) die reinen Heeresausgaben 947 825 000 M. oder 14,23 M.[2] auf den Kopf. 1913 sind die dauernden Ausgaben bereits auf 883 364 400 M. gestiegen, die einmaligen mit 580 599 900 M. dagegen zurückgegangen, während die ausserordentlichen 12 700 000 M., der Pensionsfonds 131 989 000 M. betrug, im ganzen also 1 608 653 300 M. entstanden. Der Etatsentwurf für 1914 sieht 871 805 789 M. fortdauernde, 344 823 048 M. einmalige Ausgaben im ordentlichen Etat vor. Als Wehrbeitrags-Einnahme verzeichnet er 393 820 871 M. Der Pensionsetat für die Armee beträgt 97 317 248 M. Alle Ausgaben für die Landesverteidigung erscheinen fortan im Etat der allgemeinen Finanzverwaltung.

Die Gesamtkosten der durch Gesetz vom 27. III. 11 bewilligten Heeresvorlage werden bis 1917 ungefähr 1414 Mill. M. erfordern. Die Höhe der Ausgaben für die Verstärkung durch das Gesetz vom 14. VI. 1912 beläuft sich auf 440 500 000 M. bis 1917 (etwa doppelt soviel wie für die Marine), wobei in den Jahren 1916 und 1917, wo ein Beharrungszustand der Belastung eintritt, die Jahresbeträge noch je 62 Mill. M. erreichen werden. Sie sollten nach Beschluss des Reichstages durch Beseitigung der sogen. Liebesgabe (Vermehrung der Einnahmen aus der Branntweinsteuer) und Annahme einer nicht näher bezeichneten Besitzsteuer gedeckt werden. Sie haben aber nunmehr in den gegenwärtig erschlossenen Einnahmen des Reichs, insbesondere in Mehreinnahmen aus Zöllen und Steuern, aus Post und Eisenbahnen unter Heranziehung eines Teils des auf 249 131 174 M. sich beziffernden Überschusses des Jahres 1911 Deckung gefunden, wobei noch 4 738 457 M. aus diesem Überschuss zur Verfügung blieben.

Das neue Wehrgesetz vom 3. VII. 13 erfordert gar 1291 Millionen M.[3] für die Jahre 1913–15, in welch’ letzterem die fortlaufenden Ausgaben ihren Beharrungszustand erreichen. Zu der Deckung dieser grössten


  1. England und Frankreich haben für Heer und Flotte in den 3 Dezennien von 1881–1910 mehr als das Doppelte ausgegeben als wir, nämlich 52,7 Milliarden (gegen 25,2 bei uns) oder 67,6 gegen 32,4 v. H. Für Heereskosten allein hat Deutschland in dieser Zeit 20,6 Milliarden gegen 32,2 von England und Frankreich bezahlt, was einem Anteilsverhältnis von 39:61 entspricht, das aber den Bevölkerungszuwachs noch immer nicht erreicht. Im Vergleich zu unserer Gebietsgrösse, Bevölkerungsziffer und wirtschaftlichen Machtstellung traten unsere Rüstungskosten, absolut gerechnet, noch mehr hinter die jener beiden Länder zurück. Wir haben für die Zeit von 1881–1910 um 44 v. H., jene Staaten nur um 15 v. H. an Bevölkerung zugenommen (abgesehen von der Schaffung einer Kolonialmacht in der 4fachen Grösse Deutschlands). Der Dreibund hat in dem Zeitraum nur 47 Milliarden oder 38,5 v. H., der Dreiverband dagegen 75,1 Milliarden oder 61,5 v. H. oder 28 Milliarden mehr ausgegeben.
  2. Frankreich gab 1912 auf den Kopf 18,55 M., England 12,46, Russland 7,32 M., Österreich-Ungarn 8,72, Italien 9,69 M. aus.
  3. Sie verteilen sich nach fortdauernden und einmaligen Ausgaben wie folgt:
    1913: 1914: 1915: Zusammen
    Fortdauernde Ausgaben: 54 153 186 893
    Einmalige Ausgaben 435 285 178 898

    Insgesamt: 489 438 364 1291 M. 
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 297. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/313&oldid=- (Version vom 11.12.2021)