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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Das Oberversicherungsamt (Beschlusskammer) kann zugleich bestimmen

1. wie der Zustand dessen, der die Leistungen erhalten soll, anders als durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesen werden darf,
2. dass die Kasse ihre Leistungen solange einstellen oder zurückbehalten darf, bis ein ausreichender Nachweis erbracht ist,
3. dass die Leistungspflicht der Kasse erlischt, wenn binnen einem Jahre nach Fälligkeit des Anspruchs kein ausreichender Nachweis erbracht ist (§ 370 R.V.O.).

Der Grundsatz der Gleichstellung von Ärzten und Kassen wird ausdrücklich festgestellt Die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten werden durch schriftlichen Vertrag geregelt; die Bezahlung anderer Ärzte kann die Kasse, von dringenden Fällen abgesehen, ablehnen. Dem Verlangen nach dem Arzte des Vertrauens trägt § 369 Rechnung: Soweit es die Kasse nicht erheblich mehr belastet, soll sie ihren Mitgliedern die Auswahl zwischen mindestens zwei Ärzten freilassen. Wenn der Versicherte die Mehrkosten selbst übernimmt, steht ihm die Auswahl unter den von der Kasse bestellten Ärzten frei. Die Satzung kann jedoch bestimmen, dass der Behandelte während desselben Versicherungsfalles oder Geschäftsjahres den Arzt nur mit Zustimmung des Vorstandes wechseln darf.

Es entspricht dem bisherigen Rechte, wenn bestimmt ist, dass die Satzung den Vorstand ermächtigen kann, die Krankenhausbehandlung nur durch bestimmte Krankenhäuser zu gewähren und die Bezahlung anderer Krankenhäuser, von dringenden Fällen abgesehen, abzulehnen. Neu dagegen ist die Vorschrift, dass dabei Krankenhäuser, die lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken bestimmt oder von öffentlichen Verbänden oder Körperschaften errichtet, und die bereit sind, die Krankenhauspflege zu den gleichen Bedingungen zu leisten, nur aus einem wichtigen Grunde mit Zustimmung des Oberversicherungsamts ausgeschlossen werden dürfen.

Bisherigem Recht entsprechen die jetzt besser formulierten §§ 372, 373: „Genügt bei einer Krankenkasse die ärztliche Behandlung oder Krankenhauspflege nicht den berechtigten Anforderungen der Erkrankten, so kann, vorbehaltlich des § 370, das Oberversicherungsamt nach Anhören der Kasse jederzeit anordnen, dass diese Leistungen noch durch andere Ärzte oder Krankenhäuser zu gewähren sind.

Diese Anordnung soll nur auf solange getroffen werden, wie es ihr Zweck fordert, und bedarf, wenn sie über ein Jahr gelten soll, der Genehmigung der obersten Verwaltungsbehörde.“ (§ 372 R.V.O.)

„Wird die Anordnung nicht binnen der gesetzten Frist befolgt, so kann das Oberversicherungsamt selbst das Erforderliche auf Kosten der Kasse veranlassen. Verträge, welche die Kasse mit Ärzten oder Krankenhäusern bereits geschlossen hat, bleiben unberührt.

Die Kasse hat gegen diese Anordnungen und Massnahmen binnen einer Woche die Beschwerde bei der obersten Verwaltungsbehörde.“ (§ 373 R.V.O.).

Für die Zukunft muss das Streben auf Herstellung wirksamer staatlicher Schiedsinstanzen gerichtet sein. Es muss jede Garantie geschaffen werden, dass die Ärzte eine ihrer Stellung und ihrem Berufe entsprechende Behandlung in den Kassen erfahren, dass ihnen eine angemessene, nur durch den Stand der Kassenfinanzen begrenzte Honorierung zu teil wird, dass sie mit Freude und nicht mit Missbehagen an der Durchführung der Sozialversicherung beteiligt werden.

7. Die Kosten der Krankenversicherung werden durch die Beiträge gedeckt. Leisten muss sie in der Regel der Arbeitgeber, der den Anteil des Pflicht-Versicherten vom Lohn der nächsten und übernächsten, nicht aber bei einer späteren Lohnzahlung abziehen darf. Ausnahmsweise werden die Mittel bei den Hausgewerbetreibenden teils durch Auftraggeberzuschüsse, teils von den ersteren selbst und ihren hausgewerblich Beschäftigten aufgebracht. Die unständigen Arbeiter haben ihren Beitragsteil selbst einzuzahlen (§§ 449, 450). Das Verhältnis von zwei Drittel der Versicherungspflichtigen zu einem Drittel der Arbeitgeber wird z. T. durchbrochen, so satzungsgemäss bei den Innungskrankenkassen, wo beide Teile je die Hälfte tragen können (§ 381). Höhe und Abstufung der Beiträge wird eingehend bestimmt (§§ 384 ff.).

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/53&oldid=- (Version vom 7.11.2021)