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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

Auf dem Gebiete der Seeunfallversicherung endlich wurden gegenüber dein jetzigen Rechtszustande nur geringfügige Verbesserungen beigefügt. Für den Kleinbetrieb der Seeschiffahrt sowie für Seefischerei mit Fahrzeugen, die der Bundesrat nicht schon als Hochseefischereidampfer oder Heringslogger der Unfallversicherung unterstellt hat, endlich für Fischerei mit Fahrzeugen, die auf Gewässern verkehren, welche mit der See verbunden sind, wird eine besondere Zweiganstalt vorgesehen. Die auf deutschen Seefahrzeugen, auf inländischen Kanälen und Flüssen beschäftigten Personen unterliegen in Zukunft nach den Kommissionsbeschlüssen dem See-U.V.G. Nach diesen soll auch jeder Flaggenwechsel dem Versicherten mitgeteilt werden. Die Bestimmungen über die Ausländer werden denjenigen in dem gewerblichen U.V.G. angepasst. Ferner können Ausländer mit dem dreifachen Betrage der Jahresrente abgefunden werden. Die Bestrafung eines Versicherten soll nicht erfolgen, wenn er in Ausführung eines Befehles seines Vorgesetzten den Vorschriften zuwidergehandelt hat.

IV. Invalidenversicherung.

Auf dem Gebiete der Invalidenversicherung sind zunächst einige Neuerungen hinsichtlich der Ausdehnung des Kreises der Versicherten zu verzeichnen. Die Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken sollen ebenso wie bei der Krankenversicherung unter das Gesetz fallen, und auch das Bühnen- und Orchesterpersonal soll obligatorisch ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen einbezogen werden. Der in § 1 Nr. 2 I.V.G. gewählten Fassung steht die des § 1226 Nr. 2 R.V.O. gegenüber, jedoch unter Fortlassung des Wortes „Techniker“; dies bedeutet, dass sie nicht, wie bisher, unter allen Umständen, sondern nur dann versicherungspflichtig sind, wenn sie nicht zu den höheren Geistesarbeitern gehören. In dieser Richtung ist auch der § 1238 bemerkenswert, der die Befreiung von Personen mit Hochschulbildung (besonders der Diplomingenieure) auf Antrag vorsieht. Der § 1 I.V.G. spricht auch von „sonstigen Angestellten, deren dienstliche Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet“. Die R.V.O. § 1226 Ziff. 2 hat eine neue Fassung: Andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet, sind für versicherungspflichtig erklärt. Es handelt sich um Personen, die über dem gewöhnlichen Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrling und Dienstboten stehen, aber unter den Arbeitern mit höherer geistiger Beschäftigung. Dass aber die Beschäftigung den Hauptberuf bilden muss, bedeutet eine Verengung des Kreises der Versicherten. Nicht nur die dauernd, sondern auch die vorübergehend invaliden Personen, sind jetzt, wie sich aus § 1236 ergibt, versicherungsfrei. Verwiesen wird auf §§ 1255, 1258; in jenem ist Invalidität zum Erwerb einer Invaliden-, hier einer Witwenrente definiert. Als vorübergehend invalide galt nach bisherigem Recht, wer es ununterbrochen 26 Wochen lang gewesen ist. Jetzt auch, wer es nach Wegfall des Krankengeldes ist.

Die Zusatzversicherung ist die wichtigste, wenn auch bereits viel angefochtene Neuerung des Gesetzes. Zunächst ist es ihre Absicht, den Wünschen des Mittelstandes entgegenzukommen, durch freiwillige Weiterversicherung höhere Renten erwerben zu können. Eingeführt ist die Verwendbarkeit einer besonderen Zusatzmarke. Die einmalige Einzahlung für den Erwerb einer alljährlich bis zum Eintritte der Invalidität um denselben Betrag steigenden Rente ist in der hauptsächlich in Frage kommenden Altersjahren im allgemeinen beständig. Der Wert der Zusatzmarke beträgt 1 Mark. Für jede Zusatzmarke wird der Betrag von 2 Pfennig als Jahresbetrag der Zusatzrente soviel Mal gewährt, als beim Eintritt der Invalidität Jahre seit Verwendung der Zusatzmarken verflossen sind. Wenn z. B. ein Versicherter in den Altersjahren 25–55 allmonatlich einen Zusatzbeitrag von 1 Mark zahlt, so erhält er beim Eintritt der Invalidität eine Zusatzrente von jährlich 119,04 Mark, wofür er in den 31 Jahren insgesamt 372 Mark eingezahlt hat. Tritt Invalidität nicht bereits im Alter von 56 Jahren, sondern erst im Alter von 65 Jahren ein, so berechnet sich eine Zusatzrente für den Fall, dass er nach dem 56. Lebensjahre nicht noch weiter Zusatzbeiträge zahlt, auf 186 Mark. Zahlt er in den Jahren 56–64 weitere Zusatzbeiträge von monatlich 1 Mark, so berechnet sich der Anspruch auf 196,80 Mark.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/63&oldid=- (Version vom 7.11.2021)