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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

könnte, die Durchführung aller Arten der Reichsversicherung, vielmehr für jeden der Versicherungszweige auf den besonderen Versicherungsträgern. Nur dass in Zukunft spezielle Versicherungsbehörden die Tätigkeit vornehmen, an denen bisher Verwaltungsbehörden und Gerichte teilgenommen haben. Man kann es nicht hoch genug schätzen, dass die Erledigung der bisher von allgemeinen Verwaltungsbehörden besorgten Angelegenheiten in Zukunft durch Spezialbehörden der Reichsversicherung erfolgt. Soweit das Versicherungsamt daher Aufgaben einer örtlichen Stelle für die Versicherungsträger der Unfall-, Invaliden- und der Hinterbliebenenversicherung zu erfüllen hat, wird man wenig einzuwenden haben. Die Folge der Zuweisung staatlicher Hoheitsrechte an die Versicherungsämter ist die, dass sie nicht von den Versicherungsträgern eingerichtet werden könnten, vielmehr die Errichtung durch die Landeszentralbehörde das Angemessene ist, wodurch auch das einheitliche Zusammenwirken mit dem vorhandenen Behördenorganismus gesichert wird.

Das Versicherungsamt kann als selbständige Behörde errichtet werden in Bundesstaaten, in denen die Gestaltung der Landesbehörden die Errichtung der Versicherungsämter bei den unteren Verwaltungsbehörden nicht zulässt und nur ein Oberversicherungsamt besteht. Praktisch wird dies nur für Hamburg werden. Ist dagegen das Versicherungsamt an eine andere Behörde angegliedert, so ist deren Leiter zugleich der Vorsitzende des Versicherungsamtes. Als sein ständiger Stellvertreter ist dann ein Versicherungsamtmann zu bestellen. Wird in diesem Falle das Versicherungsamt an eine Kommunalbehörde angegliedert, so wird der Versicherungsamtmann durch den Kommunalverband bestellt, eventl. vom Oberversicherungsamt. Als Beisitzer des Versicherungsamts sollen Versicherungsvertreter beigezogen werden; ihre Zahl beträgt mindestens 12; es sind Arbeitgeber und Versicherte. Sie werden gewählt durch die Vorstandsmitglieder der beteiligten Krankenkassen, die im Bezirke des Versicherungsamts mindestens 50 Mitglieder haben und durch die Vorstandsmitglieder gewisser knappschaftlicher Krankenkassen, Ersatzkassen, Seemannskassen gewählt werden (§ 65). Bei jedem Versicherungsamt wird sodann ein Beschlussausschuss für die Angelegenheiten, die dem Beschlussverfahren überwiesen werden, gebildet. Er besteht aus dem Vorsitzenden des Versicherungsamtes und je einem Versicherungsvertreter der Arbeitgeber und der Versicherten. Auch können technische, Staats- und Kommunalbeamten, die in dem Bezirke des Versicherungsamtes tätig sind, als Beiräte zum Versicherungsamt für das Beschlussverfahren mit beratender Stimme vom Versicherungsamt zugezogen werden. Bei diesem wird auch ein Spruchausschuss errichtet für die Angelegenheiten des Spruchverfahrens.

Die Oberversicherungsämter zeichnen sich dadurch aus, dass sie völlig unabhängig gegenüber den Versicherungsträgern gedacht sind. So wie das Versicherungsamt Aufsichts-, Spruch- und Beschlussbehörde sein soll, so auch das Oberversicherungsamt, die zweite Instanz, der auch die Aufgaben zugewiesen werden, die jetzt der höheren Verwaltungsbehörde obliegen. Sie sind demnach Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörden. Hinsichtlich ihrer Errichtung und Zusammensetzung sind jedoch Abweichungen gegenüber den Schiedsgerichten vorgesehen. Das O.V.A. wird in der Regel für den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde errichtet. Es besteht aus Mitgliedern und Beisitzern. Wie an der Spitze des Versicherungsamtes in der Regel der Versicherungsamtmann, so steht an der Spitze des Oberversicherungsamtes ein Direktor und sein Stellvertreter. Während der Direktor auf Lebenszeit ernannt ist, werden die Mitglieder aus der Zahl der öffentlichen Beamten ernannt, und während jenem zwar noch andere Dienstgeschäfte übertragen werden können, er aber doch als im Hauptberuf stehend anzusehen ist, kann die Landeszentralbehörde die übrigen Mitglieder des Amtes als nur im Nebenberuf tätig anstellen. Die Beisitzer des Oberversicherungsamtes sind je zur Hälfte aus Arbeitgebern und Versicherten zu wählen, sie dürfen nicht Mitglieder des Reichsversicherungsamtes oder eines Landesversicherungsamtes sein. Die Zahl der Beisitzer beträgt 40; die Landeszentralbehörde kann die Zahl erhöhen oder herabsetzen. Bei jedem Oberversicherungsamt wird eine Beschlusskammer für Angelegenheiten des Beschlussverfahrens gebildet. Sie besteht aus dem Direktor des Oberversicherungsamtes, einem Mitglied und zwei Beisitzern. Die Arbeitgeberbeisitzer und die Versicherungsbeisitzer beim Oberversicherungsamt wählen hierzu mindestens je einen Stellvertreter mit einfacher Stimmenmehrheit aus ihrer Mitte auf je 4 Jahre. Daneben bestehen Spruchkammern für

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/67&oldid=- (Version vom 7.11.2021)