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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


Vergebens

Damit ist die Vorstellung zu Ende, Liddy,“ sagte in der vordersten Reihe ein hochgewachsener, bleicher Herr von studentischem Aussehen.

In die Gruppe der Nächststehenden kam eine plötzliche Bewegung ungenierter Neugier, die wissen wollte, wer Liddy sei. Man sah ein junges, unscheinbares Mädchen mit einem Mausgesicht und harten Händen, sah eine blauwollene, großmaschige Jacke und über verkümmertem Haar einen billigen Modehut. Dann – das Interesse verlierend – schloß man sich dem dichten Zuge jählings auflebender Menschen an, die zum Ausgange strömten. Diesen sichtlich Unzufriedenen – aus deren durcheinandersummenden Reden die allgemeine Meinung herausklang, man habe für fünfzig Pfennige doch wildere Wilde, andere Samoaner erhofft – folgten, als letztes Paar, Liddy und Walter Senath.

Nur das vertrauliche „Arm in Arm“, sonst nichts, deutete darauf, daß die Kleine innig zu dem Großen gehörte. Denn sie schritten schweigend hin. Keines wandte einmal den Kopf, um nach der Stimmung des anderen zu forschen, wie Liebende tun. So ward er nicht gewahr, daß die Fröhlichkeit von ihrem Gesichte verschwunden war, um derentwillen er einen ganzen Nachmittag voll trügerischen Jahrmarktwirrwarr erduldet hatte, und so war es möglich, daß der Ausdruck seines fein und scharf geschnittenen Antlitzes ihr nicht entdeckte,

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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_042.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)