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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


Auf einmal zuckte das Mausgesicht in rührend komischen Grimassen. Walter nahm etwas Schimmerndes wahr, und er fragte mit einer Stimme, deren fremdartige Rauheit ihn in Verlegenheit brachte: „Ist es dir ernst? Du willst davon?“

„Du kannst dir ja eine Samoanerin nehmen!“

„Liddy, du bist doch ein albernes Ding!“ Er sprang auf, trat zum Fenster und beschäftigte sich eifrig damit, einer mageren Palme die Blätter auszureißen, so, wie man Hühner rupft. Von jeher litt er an ausgesprochener Angst vor Auseinandersetzungen, auch wenn er sich keiner Schuld bewußt war. Diesmal aber fühlte er deutlich, daß mit dem naiven, vernunftlosen Trotz dieses Mädchens nicht zu streiten sei. Er stand ihren Tränen und ihrem tauben „Nein“ gegenüber wie das Kaninchen der Riesenschlange.

Sein Verhalten ehrlich prüfend, vermochte er nichts zu entdecken, was Liddys Verstimmung gerechtfertigt hätte. Diese Verstimmung war Eifersucht. Der steigende Ärger, mit dem er das erkannte, ging unter in der Befürchtung, er könne seine Geliebte verlieren.

„War ich wirklich böse zu dir?“ rief er in einem liebenswürdigen Tone versöhnlicher Lustigkeit und drehte sich langsam um. Aber Liddy war fort. Sie war gegangen, nicht wiederzukehren.

Und Walter kramte ein Bildnis hervor, das er in ähnlicher Weise wie zuvor die Palme behandelte, vernichtete in gewisser Pose eine gehäkelte Bürstentasche und schlief außergewöhnlich spät ein.


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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_048.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)