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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


’nüber arbeiten. Ich habe lange als Matrose gefahren und verstehe meine Arbeit. Ich habe kein Geld mehr.“

„Tut mir leid,“ antwortete Lauken und musterte den langgewachsenen Menschen scharf, „die Besatzung des Schiffes zählt 25 Mann. Die sind vollzählig. Mehr darf ich nicht annehmen.“

Der andere sah einen Augenblick zu Boden und sagte dann: „Es ist keine Arbeit hier an Land zu finden. Auch der deutsche Konsul hat mich abgewiesen.“

Lauken zuckte mit den Achseln. Der Matrose bat beharrlich: „Vielleicht reden Sie mit dem Kapitän?“

Das war unvorsichtig gesprochen. Der Steuermann, der von dem kränklichen Kapitän unbeschränkte Vollmacht erhalten, entgegnete ein wenig gekränkt: „Der kann Ihnen auch nicht helfen. Das Schiff darf 25 Mann Besatzung, nicht einen Mann mehr, mitnehmen, nicht einmal zahlende Passagiere.“

Da der Fremde schwieg, fragte Lauken: „Wo sind Sie zu Hause?“

„In Soldorp an der Nordsee.“

Es überlief Lauken kalt. Minuten dauerte es, bis er Worte fand, und diese klangen unsicher, fast zitternd. „Wie kommen Sie denn hierher?“

„Ich bin von der Fremdenlegion desertiert. Nehmen Sie mich doch mit, Steuermann!“

Freimütig, männlich war das gesagt. Etwas wie Stolz lag dahinter, was Lauken Achtung einflößte.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_092.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)