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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


Phantasie


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Aber sie ist doch ein achtjähriges Kind,“ wagte die Stadträtin vorzuhalten.

Ihr Mann warf die heiße Zigarre auf das Sofa. „Alberne Entschuldigung,“ grollte er und rettete mit vulkanischer Ruhe den roten Plüsch so langsam als möglich. „Das ist genau so, als wenn du über Kopfschmerzen klagtest und ich würde dazu bemerken: Aber die Stachelbeeren sind noch nicht reif. Ein nichtsnutziges, erzfaules, kalbsdummes Geschöpf ist das Mädchen!“

Onkel Fußball, welcher spreizbeinig daneben stand, beide Hände fidel in die Taschen vergraben, meckerte den Streitenden rücksichtslos ins Gesicht. Wie ein Metzgergeselle sieht er jetzt aus, dachte der Stadtrat von ihm und äußerte laut: „Vielleicht hast du die Güte, dein Amüsement über meine Sorgen ein wenig zu verbergen. Das wäre sonst genau so, als wenn ich mich feindselig in deine Angelegenheiten mischen und beispielsweise dich verhöhnen wollte, wenn dir auf dem Sportplatz ein Schienenbein zertrümmert wird. Daja,“ der Stadtrat sprach jetzt zur Lampe, äugelte aber zuweilen nach seiner Frau hinüber, „Daja wird leider unverantwortlich von uns verwöhnt und sie wird mich dafür in die Grube ärgern. Schlagen müßte man sie,“ der Stadtrat wandte sich mit unväterlichen Fäusten dem Fenster zu, wo Mademoiselle ekstatisch Beifall nickte, „schlagen müßte

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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)