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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s


Gräfin Chile hatte sich launig, leise vor ihrem Kanarienvogel am Fußboden auf ein Pantherfell ausgestreckt. Sie blies feinduftenden Zigarettenrauch in des Vogels silbernen Käfig, dessen Tür sie spielerisch mit einem Rosenstengel aufhakte.

Alsbald huschte das gelbe Hänschen aus dem Bauer durchs Zimmer und in der Bahn eines noch kühlen Frühlingsluftzuges zu einem geöffneten Fenster hinaus.

Der Graf senkte die Hände auf die Tasten und sagte traurig und vorwurfsvoll: „Der ist nun fort, kommt nimmer zurück.“

Aber die Gattin entgegnete lächelnd: „Wohl ihm!“


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Es sei genug mit dem, was ich gegeben. Ein jeder lebt’s, aber nicht vielen ist’s bekannt, und deshalb mochte ich einiges für einige deuten.

Leser, willst du noch vernehmen, was aus dem entflogenen Vögelchen ward?

Als es über das endlose kalte Steingebirge der Stadt flatterte, bald ermattet von der ungewohnten Flügelanstrengung, erschien ihm wohl ein Kirchhof wie eine grüne Insel.

Denn dort ließ es sich nieder. Und Spatzen kamen, die zerhackten den gelben Fremdling.

Ich habe ihn tot und zerstört liegen sehen am

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Hans Bötticher (Joachim Ringelnatz): Ein jeder lebt’s. München: Albert Langen, 1913, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hans_B%C3%B6tticher_Ein_jeder_lebts_167.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)