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waren aber die „Fliegenden“; und die „Fliegenden“ waren recht und schlecht Oberländers „gubbar“, denn vom Texte verstand ich damals so gut wie garnichts, weder den Worten noch dem Sinne nach. Und das ist ja eben die Eigentümlichkeit der „Fliegenden“ gewesen und geblieben, daß man auf so mancherlei Weise seine Freude an ihnen haben kann, je nach Alter, Geschmack und anderen Umständen, – der Eine seine künstlerisch-psychologische, der Zweite seine tagespolitische, der Dritte seine geschichtlich-philosophische, der Vierte sogar seine ganz kindische Freude.

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Wie so viele gute und beste Dinge sind auch die „Fliegenden“ aus unscheinbaren Anfängen hervorgewachsen. Ihr Begründer, Caspar Braun, war am 13. August 1807 in Aschaffenburg von guter Familie geboren und kam 1827 nach München, – „ein kleiner, untersetzter, rundlicher Gesell“, wie es im Nekrolog der „Allgemeinen Zeitung“ über ihn heißt (wie mir gesagt worden, von Professor Hyazinth-Holland). Direktor der Kunstakademie, wo er Schüler wurde, war damals Cornelius; der Geschmack des angehenden Künstlers ging indessen in eine ganz andere Richtung. Er schwärmte für Salvator Rosa, malte Gauner und Falschspieler à la Caravaggio[1] und holte sich ritterlich-romantische Stoffe unter der zeitgemäßen Beeinflussung de la Motte-Fouqués und Walter Scotts. Er versuchte sich zuerst in allen Zweigen der Technik: Freskenmalerei, Steinzeichnen, Radiren, Aetzdruck; auf dem Gebiete der Oelmalerei behandelte er geschichtliche Stoffe wie in seinem „Pappenheims Heldentod“ und in seinem „Gustav Adolphs Leiche auf dem Felde zu Lützen“, aber auch einfache, humoristische Themata.

Um das Jahr 1837 wurde sein Interesse auf jenen Kunstzweig gelenkt, womit künftighin sein Name und sein Lebenswerk, die „Fliegenden“, verknüpft sind: den Holzschnitt. Die Veranlassung gab zunächst eine Ausgabe von Lafontaines Fabeln mit Holzschnitten von Grandville ab. „Noch vor 25 Jahren,“ schrieb 1868 Erwin Förster in einer eingehenden und interessanten Studie über Caspar Braun im „Daheim“, „gab es keine einheimische Holzschnittkunst von wirklich künstlerischer Qualität; die Kunst des Holzschnitts war in Deutschland, ihrem Geburtslande, wo vor mehr als 300 Jahren Albrecht Dürers Hand mit schwerfälligen Werkzeugen sich abmühte, seinem Volke die ersten Holzschnitte in einfach-schmuckloser Form zu bieten – fast verloren gegangen.“ Auch Braun, der übrigens selbst durch ganz ähnliche Ausführungen seine vollkommene Einsicht in die kulturelle Bedeutung der ihm vorschwebenden Aufgabe erwies, fing ganz bescheiden mit dem Taschenmesser als einzigem Werkzeug an. Mit Unterstützung eines Münchener Kunstfreundes ging er dann, von seinem Freunde Rehle begleitet, 1838 zur weiteren Ausbildung nach Paris. In den Ateliers seiner deutschen Landsleute sehr kühl empfangen, begab er sich direkt zu Grandville selbst, der ihn mit großer Zuvorkommenheit noch am selben Tage


  1. Vorlage: Cavaraggio
Empfohlene Zitierweise:
Ola Hansson: Oberländer und die „Fliegenden“. S. Schottlaender, Breslau 1904, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hansson_Oberl%C3%A4nder_und_die_Fliegenden.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)