Seite:Harz-Berg-Kalender 1805 066.png

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Ahnung von nahen Unglück empfand. Alles war still, und die Bedienten schliefen bereits. Plötzlich ließ sich unten im Hause ein schreckliches Getöse und ein verwirrtes Geschrey hören: „Mord! Mord!“ – Man setze sich in den Fall unseres Capitains! Muth ohne Urtheilungskraft und ohne Geistesgegenwart würde ihn verleitet haben die Treppe hinunter zu stürzen, um zu Hülfe, eigentlich aber ins Verderben zu eilen. Der Capitain aber, was that er? – Nachdem er den Kronleuchter im Saale mit brennenden Lichtern besteckt, und dadurch das Cabinet auf seinen Lehnstuhl zurück, eine Windbüchse in der Hand, und die andre an den Stuhl gelehnt. Noch vernahm er den Jammer, der von unten herauf erscholl. Endlcih ward es still, die Thüre des Saals öffnet sich, ein Mörder mit blutiger Keule tritt herein. Das unvermuthete Schauspiel so vieler Lichter, die Stille, das Menschenleere, macht ihn stutzen; doch setzt er seinen Schritt fort. In der Mitte des Saals faßt ihn aber der Capitain aufs Korn – hin stürzt er. Ein zweyter erscheint. Das blendende Licht, der getödtete Vorgänger – er fährt zurück, allein ehe er noch aus der Thür ist, liegt er ebenfalls hingestreckt. Nun eine Flinte, mit Wolfshagel geladen, zu Hand genommen, und abgewartet – Aber der Anblick des zweyten Räubers, dessen Frau die Thüre geöffnet hatte, mochte die übrigen schon von ferne zurückgeschreckt haben. Als der Tag dämmerte, gieng unser W... hinunter. Welch ein Auftritt! Seines Neffen Reitknecht; der mit Briefen hergesandt war, drey weibliche Domestiken, ein Lakay, und neben einen gerödeten Mörder sein [..] der Korporal, ein zweyter Trim; der in allen Schlachten ihn zur Seite gewesen war, und einmal den Säbelhieb eines ungarischen Husaren von seinem Scheitel abgehalten hatte, lagen in ihrem Blute.

     Was die gute Seele unsers W... bey diesem Anblicke gefühlt habe, können nur ihm ähnliche Seelen ganz empfinden. Die nächsten Verwandten der Ermordeten erhielten von ihm eine [lebenswierige] Pension, und den Korporal ließ er mit militärischen Ehrenzeichen beerdigen und eine Freundesthräne auf seinen Sarg fallen.



Lasterhafte werden oft durch Lasterhafte bestraft.


     Anna Roberin diente in einer kleinen Stadt bey einem Handwerksmanne, der etwas Geld besaß und sich etliche Kühe hielt. Für diese mußte sie im Frühjahre und im Sommer aus dem Felde und den Gemeindeplätzen das Futter zusammen holen. Sie war rasch und verwegen. Nicht zufrieden von ihres Herrn Felde und den Gemeindeplätzen das Futter zusammen zu bringen, gieng sie auf das erste beste Grundstück wo sie etwas antraf und stahl es weg, ganz unbekümmert darüber daß solches unrecht sey. Ihre Herrschaft war damit wohlzufrieden, daß sie fast alle Tage reichliche Nahrung für das Vieh brachte, lobte sie, und ließ ihr in vilen Stücken ihren Willen; und auch andere Leute des Orts rühmten sie als eine Magd in der Stadt, die recht auf das Vieh hielt. Maria eine andere Magd in der Stadt, ein s[..]es und arbeitsames Mädchen war einmal bey ihr und sprach: Sage mir nur, wo du alle Tage so viel Futter herbringst? Ich mag so fleißig suchen und sicheln als ich nur will, so kann ich den Tag kaum halb so viel heimbringen als du. Anna antwortete: Man muß sehen, wo man was wegkriegen kan. Maria. Ja, wenn man, wo man nur etwas sieht wegnehmen wollte, so müßte ichs ja zusammen stehlen? Anna. Was schadet das! Man muß sich nur in Acht nehmen, daß man nicht gekriegt wird; und gefaßt, sie sollten einen auch einmal kriegen, so wird man doch nicht gleich darum an den Galgen kommen! Maria. Nun das kann und will ich nicht. Gerne will ich so viel arbeiten