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Bedeutung hat diese summarische Verfeindung mit uns noch nicht gehabt, keiner von all den Staaten hat bisher Truppen gegen uns geschickt, selbst von Amerikanern an der Front haben wir fast noch nichts gehört, die ersten Amerikaner wurden im Spätherbst 1917 an der westlichen Front festgestellt. Besondere Beachtung aber verdient auch der Umstand, daß kein neutrales Volk Europas seit dem 1. Februar ins feindliche Lager übergetreten ist.

     Welches ist denn nun der Zweck des ungehemmten U-Bootkrieges? Ohne Zweifel soll er in erster Linie England treffen. Dieser brutale Beherrscher des Meeres seit 100 Jahren soll an seinem Lebensnerv getroffen werden; vorher ist an ein Ende des Krieges und an einen deutschen Sieg nicht zu denken. Das U-Boot ist also dazu berufen, bei all den wunderbaren Taten unserer Feldgrauen hier in dem jahrelangen Weltkrieg die Entscheidung zu bringen. Daß dies möglich sei, haben weitblickende Männer schon seit Beginn des Krieges behauptet, sie fanden aber oft ein mitleidiges Lächeln, wenn sie diese Ansicht vortrugen. Die Admiralität indessen hat eifrig an der Vervollkommnung des U-Bootes gearbeitet, das von Meister Weddigen 1914 so wunderbar zu führen verstand. 1916 erklärte dann die Admiralität, sie sei nunmehr imstande, England wirklich in die Enge zu treiben, wenn sie nicht mehr auf die neutrale Schiffahrt Rücksicht zu nehmen habe. Im Januar 1917 erhielt der Reichskanzler auch von Hindenburg die Zusicherung, unsere Lage zu Lande sei so, daß er alle politischen und militärischen Folgen auf sich nehmen könne, die die Erklärung des ungehemmten U-Bootkrieges haben werde. So wurde dann am 31. Januar unter voller Übereinstimmung von Leitung des Reiches, des Heeres und der Flotte und unter lebhafter Zustimmung des deutschen Volkes der ungehemmte U-Bootkrieg begonnen. Und seit diesem Tage werden täglich durchschnittlich mehr als 20000 Tonnen feindlichen und neutralen Schiffsraums als versenkt gemeldet; das ist mehr als unsere Admiralität in ihrer Rechnung angelegt hatte. Natürlich erhob sich bei den Heuchlerischen Feinden wieder ein großer Entrüstungsrummel gegen die neue Art der Kriegsführung, aber diese ist doch nur die Antwort auf den schändlichen Versuch, uns auszuhungern. Zugleich stellten die Engländer unser Vorgehen als ganz ungefährlich hin, sie versicherten, in 6 Wochen werde ein Mittel in Kraft treten, das die U-Boote unschädlich machen werde. Die Zeit verstrich, ohne daß etwas Wesentliches geschah. England und Amerika wollten bann gemeinsam arbeiten und Hunderte, ja Tausende von hölzernenn ober eisernen Schiffen als Ersatz für den verlorenen Schiffsraum bauen; auch davon hat man auf dem Meere kaum etwas gemerkt. Die Feinde könnten gegen die zahlreichen Versenkungen nicht anbauen. Der Schiffsraum, der ihnen zur Verfügung steht, wird von Tag zu Tag knapper. Die öffentliche Meinung in Deutschland ging nun dahin, England solle in erster Linie ausgehungert werden und tatsächlich spielte auch die Lebensmittelzufuhr nach England bei der Berechnung der Wirkungen des ungehemmten U-Bootkrieges eine große Rolle, man hatte die schlechte Weltgetreideernte 1916 mit in Rechnung gesetzt, man hatte auch berücksichtigt, daß England nicht viel Getreide angesammelt habe, wie ja Die englische Regierung in Februar selbst zugab. Aber der springende Punkt bei der ganzen Frage ist die Ernährung doch nicht. England macht ja auch gewaltige Anstrengungen, um einer Aushungerung aus dem Wege zu gegen. Die seit fast einem Jahrhundert arg vernachlässigte Landwirtschaft erfuhr nun nun eine gewaltige Wiederbelebung. Zahllose Dampfpflüge arbeiteten auch bei Nacht auf den ausgedehnten Wiesen- und Parkflächen, um aus ihnen wieder Getreidefelder zu machen. Und was nur an Lebensmitteln auf der Erde zu kaufen war und unseren U-Booten entging, das wurde nach England hineingeschafft. Und so ist denn bis jetzt England noch immer leidlich, wenn auch keineswegs glänzend, damit versorgt. Genaueres erfahren wir darüber nicht, denn die englische Regierung wacht streng darüber, daß kein Notschrei nach dem Festlande hinübergelange, was ihr ja bei Englands insularer Lage nicht allzuschwer fällt. Aber knapp geht es her, dafür mehren sich die Anzeichen; aufgefangene Briefe und Aussagen von Neutralen, die aus England kommen, bestätigen sie. Und doch ist die Ernährungsfrage, wie gesagt, nicht einmal die Hauptsache beim U-Bootkriege, dies ist vielmehr die Schiffsraumfrage schlechthin, die Engländer haben ihre Schiffe dringend nötig, nicht nur für die Lebensmittelzufuhr, sondern auch für ihren Handel und vor allem für die Kriegswirtschaft. Den Handel haben sie arg zurücktreten lassen müssen zu Gunsten der beiden anderen Dinge. Das bedeutet für sie eine ganz gewaltige Einbuße an Verdienst, aber auf die Dauer wird es noch schlimmer kommen, denn bei der fortschreitenden Versenkung ist nicht nur kein Schiffsraum für den Handel mehr da, sondern selbst die Zufuhr an Lebensmitteln und an Kriegsstoffen kann auf die Dauer nicht in dem notwendigen Umfange aufrecht erhalten werden, dann aber geht das deutsche U-Boot wirklich an den Lebensnerv des englischen Volkes, und es muß dann in absehbarer Zeit klein beigeben. Die Berechnungen, die die Admiralität aufstelt, haben mathematische Überzeugungskraft, der man sich nicht entziehen kann.

     Am 1. Februar 1917 waren für den Verkehr mit England etwa 20 Milionen Tonnen Schiffsraum vorhanden, 17 davon waren englisch, 2 Millionen gehörten den Neutralen und 1 den übrigen Feinden. Die Hälfte von diesen 20 Millionen waren unbedingt für den Krieg beschlagnahmt. Von den 20 Millionen ist über ein Viertel bereits versenkt und was inzwischent neu gebaut ist, reicht sicherlich nicht bis an die Hälfte des Verlustes heran. So geht trotz aller Gegenmaßnahmen Englands seine Handelsflotte mit der Zeit einfach einer Katastrophe entgegen. Ein kräftiges Gegenmittel gegen die U-Bootpest ist nicht vorhanden und ist auch wohl in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Allerdings sind die Abwehrmaßnahmen der Feinde stärker geworden, sie haben geschicktere U-Bootfallen, die feindlichen Dampfer Fahren unter starkem Geleit, indessen sind unsere Kapitanleutnants auch nicht auf den Kopf gefallen, sie zeigen sich allen Gegenmaßnahmen gewachsen, unsere Verluste an U-Booten sind nicht so zahlreich wie die Neubauten, bisher sind immer noch in jedem Monat über 700000 Tonnen versenkt, während nur 600000 Tonnen angesetzt waren, und selbst wenn die Zahl in Zukunft etwas heruntergehen sollte, so wäre das nur natürlich. Wenn man einen Teich leer fischen will, so hat man bekanntlich anfangs die größte Beute, weil dann die Fische am zahlreichsten sind. Wenn also die Zahl von 800000 fast immer noch erreicht ist, so bedeutet das von Monat zu Monat einen größeren Erfolg unserer U-Boothelden. Bei obiger Berechnung ist nun allein die nach England fahrende Tonnage angesetzt, aber auch wenn man die ganze Welttonnoge in Betracht zieht, ändert sich das Bild im Grunde nicht. Man rechnet dann etwa so: Von den 48 Millionen Tonnen, die bei Beginn des Krieges vorhanden waren, können 8 Millionen nur für Küsten und Binnenfahrt verwendet werden, von den bleibenden 40 Millionen sind 6 Millionen Segelschiffe, die nur 2 Millionen Tonnen an Dampfschiffen entsprechen. Es bleiben 36 Millionen. Es gehen ferner ab 16500000 Tonnen 1. durch natürliche Ahnuzung, 2. als Schiffe in den Häfen des Vierbundes, 3. als stilgelegter neutraler Schiffsraum, 4. 10000000 Tonnen als nur für Kriegszwecke zu verwenden.