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Etwas von alten Steinbrücken im Harz.
Von Karl Reinecke-Altenau
Mit Zeichnungen vom Verfasser.


     Ich wandere an einem munteren Harzbächlein aufwärts und habe meine Freude an dem sprudelnden Geplauder des Wassers und der fröhlichen Buntgestaltigkeit des Bachbettes. Wie es da zwischen moosigen Felsblöcken, verwaschenen Steinen und Kieseln und Sand gurgelt und plantscht und plätschert und trällert! Ist nicht so ein Harzbach ein Bild ausgelassensten Lebens?

     Und nun stehe ich mit einem Male entsetzt vor einer jener maßlos öden Betonbrüken, die unsere Landstraßen- und Forstverwaltungen den letzten Jahren und Jahrzehnten zu bauen beliebten. Stelle dir den Gegensatz vor: Da fließt das Wasser mit herzerfrischendem, lebendigem Geriesel talab in seinem malerischen Bette, – und darüber hinweg legt sich plump diese graue, leblose, langweilige Betonmasse. Kann man sich zu einem hüpfenden und spritzenden Gebirgswasser etwas Betrüblicheres und Geschmackloseres denken?

     Ihr Schuldigen, schlagt an Eure Brust: wenn Ihr das Wort „Naturverschandelung“ hört, so möge Euch das schlechte Gewissen peinigen. Denn Ihr habt ein gut Teil zu diesem traurigen Kapitel beigetragen.

     Gott sei Dank, daß die wunderschönen alten Steinbrücken, die unsere Väter und Großväter bauten, auf so festen Füßen ruhen, daß sie zur Freude vieler Menschen noch manches Jährlein ihre Bogen über unsere Harzbäche spannen werden und eines neuzeitlichen, zweifelhaften Ersatzes nicht bedürfen. Diese alten Brücken sind ein Bild voll Kraft und Trotz und Schönheit zugleich. In ihnen ist Zweckmäßiges und Wohlgefälliges zu einer wundersamen Gesamtwirkung vereinigt. Diese immer wieder in Erscheinung tretende Gabe, das Nützlich-Praktische mit dem Angenehmen und Schönen zu verbinden, war eine der glücklichsten unserer Großväterzeit. Fühlt man nicht bei allem, was sie uns hinterließen, heraus, daß mehr Freude und mehr Sang und Klang in ihrer Arbeit lag als in der unsrigen? All’ ihr Tun und Wirken war durchweht von einem heiteren Hauch fröhlicher Poesie, die auch den nüchternsten Alltag verklärte. Das war die schöne Sinnenfreude der Alten, die sich nicht genügen ließ an der praktischen Brauchbarkeit eines Dinges, sondern die daneben auch etwas verlangte für Auge und Seele. Blicke Dich um in Museen oder draußen, wo Du noch Spuren großväterlichen Handwerks siehst: bei keiner Sache wirst Du das Moment der Freude und Schönheit vermissen und bei keiner den Willen, dem Nützlichen gleichzeitig den Stempel des Edlen und Wohlgefälligen aufzudrücken. Konnte oder sollte das nicht erreicht werden durch schmückendes Beiwerk, so sprach eben das Ding für sich durch seine Gesamterscheinung, die sich ergibt aus Werkstoff („Material“) und Form. Und von diesem letzten Gesichtspunkt aus sieh Dir die alten Harzer Steinbrücken an.

     Es ist großartig zu nennen, mit was für einfachen Mitteln die Alten ihre Steinbrücken einmal als Bauwerke auszuführen wußten, und wie meisterhaft sie es zum andern verstanden, die Brücken in die Landschaft einzufügen. Das Flußbett selbst oder der nächstgelegene Steinbruch bot ihnen bodenständigen Werkstoff in Hülle und Fülle. Was sich vorstand und sich als brauchbar erwies, wurde