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verwertet. Die Steine wurden nur notdürftig behauen. Es gab kein Frisieren und mathematisches Zurechtstutzen; groß und klein, dick und dünn, es war alles verwendbar, wurde mit weißem Mörtel zu einem schwungvollen Bogen zusammengefügt, ein kräftiges Mauerwerk darüber, – und fertig war die Brücke. Und was für eine! Schau, wie die Buntgestaltigkeit der Steine, ihre Formen, ihre Farben, wie das alles zur lebendigen Vielfältigkeit des Flußbettes paßt, sich der Umgebung anschmiegt, aus ihr herausgewaschen zu sein scheint!

     Un nun stelle Dir als Gegensatz dazu ein neuzeitliches Machwerk vor. Ist nicht auch Dir diese nichtssagende, tote Betonkleisterei wiederlich? Wie fade und mager wirkt so eine Betonbrücke im Vergleich zu den steinernen, von denen eben die Rede war.

     Weit schlimmer als das Betonbrückenbauen, ungleich, unverständlicher und verwerflicher ist es allerdings noch, wenn gute alte Steinbrücken bei Ausbesserungsarbeiten vollkommen mit Zement überschmiert worden sind, sodaß ihr Gewand und ihre Art gänzlich verloren gingen. Wieviel grausige Beispiele kann man leider gerade für diesen Unverstand finden! Das ist Gewissenlosigkeit, Denkmalsschädigung. Ich lasse es mir gefallen, einzelne Stellen tüchtig mit Zement auszufüllen, wenn es nottut, das erhöht unter Umständen und zumeist sogar den malerischen Reiz. Aber wegen einzelner bröckeliger Steine oder einiger Risse gleich die ganze Brücke einzuzementieren, – das sollte eigentlich schon die Hochachtung vor dem Alten verbieten, wenns bessere Einsicht und Vernunft nicht tun. Das ist gerade so, – um ein wenig abgeschmackt, aber treffend zu reden, – als wenn ein Zahnarzt ein paar Goldplomben einzusetzen hat und bei der Gelegenheit gleich das ganze Gebiß mit vergoldet in der Meinung, es dadurch wiederstandsfähiger oder womöglich schöner zu gestalten. – Gewiß, so eine alte Harzbrücke ist kein klassisches Bauwerk, das mit peinlicher Sorgfalt in alter Herrlichkeit erhalten werden soll. Aber sie hat doch auch ihre eigene Schönheit. Und Schönheit sollte immer unantastbar sein.

     Es gibt eine sehr gesunde und begrüßenswerte Bewegung, die sich „Denkmalsschutz“ nennt, und die Erhaltung schöner und wertvoller alte Bauwerke, Städte- und Landschaftsbilder erstrebt und vor Verschandelung hüten will. Sind nicht auch unsere alten Harzbrücken Denkmale? Freilich, keine von ihnen kann sich messen etwas mit der alten Friedrich-August-Brücke in Dresden oder der alten Mainbrücke in Frankfurt, um welche beiden viel geschrieben worden ist, als man sie abreißen und durch zweifelhafte Neubauten ersetzen wollte, die das Stadtbild zerstört hätten. Wie gesagt, so wertvoll sind unsere Brücken an sich sicher nicht: Aber für unsere Harzer Bachlandschaft sind sie von genau dem gleichen Wert wie die genannten großen Brücken für das Stadtbild jener Städte!

     Doch nun eine kleinen Sprung zurück zu den Betonbrücken. Ich will selbstverständlich dem Betonbrückenbau keineswegs allgemein die Berechtigung absprechen. Er mag zu einem in ruhigen Bahnen fließenden Flachlandgewässer passen, als reines Kunsterzeugnis vielleicht am besten zu einem Kanal. Doch über unsere munteren, ewig eilenden Harzbäche gehört kein Eisen und kein Beton.

     Kürzlich sah ich im Harz ein paar Steinbrücken aus neuster Zeit. Ihre Wucht und Kraft war erfreulich. Doch löste ihr Anblick nicht jenes reine Wohlgefallen in mir aus wie eine jener alten Brücken. Das hatte zweierlei Gründe. Einmal war der verwandte Baustoff kein Bodenständiger, sondern fremder, weither geholter (obwohl in der