Seite:Harz-Berg-Kalender 1921 025.png

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zurickgekährt. Mr mußte sich ower ärscht orndlich wieder an dan gans verännerten Ahnblick gewähne. De Ehmänner schimpten net meh, un de Kutschersch un Schaffnersch wuren wieder freindlicher; alle owernahme se än drauf, daß dis Kreiz net sollte wiederkähren. De Kläder-Nachnunge wuren ringer, in dr Kaffeegesellschaft kunnten se wieder dichter beienannersitzen, dr Mann brauchte of dr Schtroß net meh hinter seiner Eheliebsten zu giehn un wenn Theater in „Schtadt London“ war, geniegte wieder ä Platz for jeder Fra. Su wur denn Alles zefriedengestellt, un de schpätern Jahre is doch lang net su viel Schtaab von äner neien Mod aufgewerwelt wie von differ.

     De Zeit nohng Krieg hatte’s noch ämol drauf obgesahn, än Satansschträhch zu schpiel’n un dos sugenannte Mästerschtick dr Schepfung, de weibliche Figur, zu verschippen. Wos do kam, war wieder in Frankreich ausgeheckt, in seiner Hauptschtadt Sodom. Dos war es Cul de Paris, bei uns korzwack Kih genennt. Es nahm net su viel Platz in Ahnschpruch wie de Krenelin, ower es war doch noch alwerner wie die. Do, wu dr Ricken sän ehrling Name verliert, wolltes dr Natur ä biffel nohchhalfen un su wur die Schteht mit dr Zeit immer hecher. Wos is do schließlich alle unner dr Klädung getrahn? Mausefalln un Pfanne, Näpp Kastrolln, Schuh, Sofakissen un annre Polster un of on Harz hot wull ahch mannicher Schachthut dar neien Mod missen diene. Je hecher, deste besser, wenn ahch bän Hinsetzen immer gruße Viersicht gebuten war. Schlimm warsch, wos gar net salten vierkam, wenn su ä Haushaltungsschtick sich lieste un wumieglich of dr Gaß verluren wur. Mr hot domols oft gesahn, daß de Verlierern rasch wätter ging un gar net that, als eb wos passiert wär. Un dos war wul ahch es Gescheitste, un ä Glick, wenn se’s wenigsten gleich gans un net halb verluren. Weh dan arme Mädel, wenn ’ne su ä Mißgeschick passierte un de Schtroßenjuhngd Wind drvon krehng – es blie ne nischt annerscht iwer, als wie in dr nächsten Hausthir zu reterieren, wos es verluren hatte ower mant preiszugahn.

     Bädes is nu all lang verschwunden, hoffentlich of Nimmerwiedersahn, wenn ahch dr Teifel dos Schreckgeschpenst von Räfrock all ä paar Mol wieder an dr Wand gemolt hat. Es waren lächerliche Geschmacksvererrunge gewasen, die jahrelang Mann un Fra schikkenierten, doch eb der Widerschtand for alle Zeiten vierhalten un net erlahme wärd, – war kanns wissen?



Oktobernacht.


     Da horch! – Durch die Waldstille dringt hart und spitz das knisternde Knacken eines brechenden Zweiges. Welch’ nächtlicher Abenteurer streift drüben im Dunkel umher? Knack, knack gehts wieder, immer kurz und scharf. Und sieh, dort löst sich eine schlanke Gestalt vom dämmernden Schatten des Holzes los. Ein Hirsch tritt auf die Lichtung. Ein unsteter Wanderer Scheint’s zu sein. Wer weiß, woher er gekommen sein mag.

     Über seine fahle Decke fließt weich das Mondlicht hin. Hell leuchten die weißen Zacken seines Geweihes. Hastig rennt er auf die Blöße hinaus. Als wenn er etwas suchte, eine seltsame Unruhe ihn vorwärtstriebe, eilt er durch Farne und Gräser dahin, streift mit den Läufen den Tau von niedrigen Fichten und wendet das stolze Haupt bald links, bald rechts.

     Plötzlich verhofft er. Mit einem kurzen Ruck wirft er den Kopf auf. Seine unruhigen Lichter flackern. Steif richten sich die Gehöre nach vorn. Alle Muskeln sind angespannt. Weit blähen sich die Nüstern. Schnaubend saugt er die Witterung ein, die ihm der fächelnde Nachtwind von der Waldwiese her zuführt, wo in teurer Hut ein paar Muttertiere äsen.

     Ja, sollte deren Nähe es sein, die deinen eilfertigen Gang so plötzlich hemmt? Schnuppernd dreht er die Nase mehr nach dem Wind und atmet in hastigen, trunkenen Zügen die verführerische Luft.

     Wenn er nur gleich drüben wäre!

     Heißes Verlangen pocht in seinem hämmernden Herzen. Durch seine Adern jagt wilde Begierde. Ein brünstiger Drang möchte die Brust zersprengen, – o, wenn er gleich drüben wäre!

     Aber der Platzhirsch dort! Wird der nicht eifersüchtig auf der Hut sein und ihm blutig den Weg verrennen? Es ist mit keinem gut Kirschenessen, dem man eine Liebste abspenstig machen will. Erst gestern hat einer dem abenteuerlustigen jungen Fant eine böse Abfuhr erteilt. Sollte er es heute wieder wagen? Doch hinweg mit allen Überlegungen!

     Zu heiß lodert es in des Abenteurer liebestollen Brust. Zu betörend umweht ihn die Witterung von der Waldwiese her. Es verwirrt ihm die Sinne: er muß hinüber. Laß kommen, was da will, fort mit dem Zaudern, nur hinüber, hinüber, die Sehnsucht stillen, das Feuer im Busen dämpfen, Trieb und Leidenschaft kühlen und Liebe genießen, Liebe!

     Wilder flackerts in seinen Lichtern. Begieriger tönt sein Schnauben. Straffer spannen sich die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1921. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1921, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1921_025.png&oldid=- (Version vom 23.7.2019)