Seite:Harz-Berg-Kalender 1922 020.png

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     Auf der Osteröder Straße vor Löwes Haus ob es ein groß Gedränge. Die Weiber und Jungen hätten am liebsten den wackeren Schützen hochleben lassen, besonders die lateinischen Jungen mit ihrem Rektor; denn war nicht Bastel so ein Retter der Vaterstadt? Aber Richter und Rat machten bekümmerte Gesichter, während sie um die Leiche des Hillefeld standen. Würde nicht der wilde Christian von Braunschweig mit Heeresmacht anrücken, um den hinterlistig Ermordeten zu rächen? Osterode war schon um einer Schlägerei willen in Gefahr und Verlust geraten, und dieses war der Mord eines angesehenen Parteigängers! Sie krauten sich im Haare, konnten sich aber auch nicht ganz der Freude erwehren, daß sie vorläufig die unbequeme Einquartierung los waren.

     Zuletzt befahl der Richter, daß die Leiche aufgehoben und nach der Marktkirche geschafft würde. Dort wurde Hillefeld mit Stiefeln und Sporen, Degen und voller Ausrüstung hinter dem Altar, der damals weiter vorstand, begraben. 1689, als noch ein Stück an die Kirche angebaut werden mußte, soll man hinter dem Altare die Gewehrstücke gefunden haben.

     Für den Fall eines peinlichen Prozesses ließ der Rat es dem jungen Bastel stecken, daß er sich heimlich davonmache; eine Zeitlang müsse er sich verborgen halten. Der alte Löwe war damit einverstanden, so ungern er auch den Sohn bei den Pferden entbehrte, aber vor seinem Jungen hatte er auf einmal einen Heidenrespekt. Dem durfte kein Haar gekrümmt werden, den Bengel, der so blind zuschießen konnte! So was hätte er nicht fertiggebracht, und er war doch auch ein Kerl.


     Einige Wochen waren vergangen. Es war Herbst, und die Grummet lag auf den Wiesen. Da schritt ein Köhler von Kamschlacken her auf die Pixhaier Mühle und Buntenbock zu. Auf dem Rücken trug er den russigen Kälbersack. Die graue Jacke, die Lederhose, die Gamaschen hatten offenbar wochenlang auf und vor dem schwelenden Meiler gestanden und in der räucherigen Köthe gelegen. Keines Negers Gesicht konnte schwärzer sein als das dieses Waldteufels. Um so mehr schimmerte das Weiße der Augen und Zähne und das blühende Rot der Lippen. Wie es sich gehört, stützte er sich auf einen kräftigen Knüttel.

     Vor des alten Kurd Hause saß Anna. Sie war noch bleich, trug auch den linken Arm noch in der Binde, aber mit der rechten Hand führte sie in einem Topfe. Der Vater konnte doch nicht hungern. So gut es ging, mußte Essen beschafft werden. Da trat der Köhler zu ihr.

     „Brrr“, machte sie, „nee so wat!“

     „Gun Dag ok,“ sagte der Köhler.

     Sie mußte lachen.

     „Kümmt hei ut den Düwel sin Backaben? Womit kann ek deinen?“

     „De Junfer is mer noch en Kuß schillig.“

     Das Mädel mußte jetzt noch mehr lachen als vorher, dabei wurde aber ihr bleiches Gesicht flammendrot, dann lief sie in das Haus. Nach einer Weile kam sie mit Seife und einem großen Tuch zurück. Der Köhler zog sich an den fließenden Bottich, dort mußte er sich waschen, bis Bastel Löwes rundes frisches Gesicht glühend wie das ihre zum Vorschein kam.

     „Du bist en Keerl,“ sagte sie und hielt ihm die roten Lippen hin.

     Dann saßen Sie beiden Arm in Arm auf der Bank vor dem Hause. Ja, sie war wieder geheilt, und er konnte wieder nach Clausthal, da sich nichts von seiten des Obristen gerührt hatte. Wären sie auf der Suche nach ihm gegangen, wer hätte unter dem schwarzen Teufel an der Hanskühnenburg den Bastel Löwe erkannt?



Ein eitler Streit zwischen zwei Oberharzer Bergstädten Anno 1688.


     Inzwischen machte obige Einrichtung beym Schiessen[1] in den Gruben ihrem Erfinder, welcher zu Clausthal Hütteninspector, von da aber nach Cassel als Bergdirector berufen wurde, nicht wenig Ehre. Diese war wesentlich, und hatte folglich von derjenigen eitlen Ehre ein grosses voraus, welche in dem Vorrange gesuchet wurde, worüber damahls die Bergstädte St. Andreasberg und Altenau unter sich in Streit und Irrungen befangen waren. Die öffentliche Freyschiessen, zu welchen die Schützengesellschaften aller sieben sowol einseitiger als gemeinschaftlicher Bergstädte an einem Orte zusammen kamen, hatten dazu Anlaß gegeben. Man konnte auf beyden Seiten wegen des Vorschiessens nicht einig werden. Deswegen wurde die Entscheidung der Sache bey dem Berghauptmann von Ditfurth gesuchet, und brachten an dem zum Verhör beyder


  1. Es wird Bezug genommen auf eine wichtige Erfindung aus dem Gebiet der Sprengtechnik.