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schützen. Aus diesen sind die heutigen Schützenvereine hervorgegangen. Das Berghackel gilt noch heute als Symbol des Waffenrechtes der Bergknappen. Von der obersten Bergbehörde wurde bei bergmännischen Festlichkeiten das silberne Hackel an verdiente Bergbeamte und das silberne Grubenlicht an ältere Bergleute als besondere Auszeichnung verliehen und von diesen mit Stolz getragen.

     Auch im Harze hatten die reichen Erzanbrüche mit hohem Silbergehalt zur Prägung der Harzer Ausbeutethaler geführt. 1539 wurden die ersten Münzen mit dem Bildnis des wilden Mannes – des Wahrzeichen des Harzes – geprägt. Bis ins 18. Jahrh. war das sächsische, böhmische und das aus Harzsilber geprägte Geld der Welfenherzöge die feste Stütze des deutschen Geldwesens.

     Auf diese Zeit wirtschaftlich höchster Blüte folgte eine solche des tiefsten Niederganges: die Pestepidemie 1577 und der unheilvolle 30jährige Krieg. Der Bergbau in beiden Gebirgen konnte erst nach und nach wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Protestantische Bergleute aus Böhmen gründeten 1654 Johanngeorgenstadt.

     Von größter Bedeutung wurde die Gründung der Bergakademie in Freiberg im Jahre 1766, der zehn Jahre später die Bergschule angegliedert wurde. Freiberg ist die älteste Berghochschule der Welt, sie dient nicht nur dem praktischen Berg- und Hüttenbetriebe, sondern vor allem der Verbreitung der wissenschaftlichen Kenntnisse in der Mineralogie, Geologie und der Hüttenkunde. (Vor einigen Jahren wurde der Bergakademie das Braunkohlenforschungsinstitut angeschlossen).

     Die zweite Blütezeit des Harzer Bergbaues begann zu Anfang des achzehnten Jahrhunderts. Die Gruben brachten reiche Anbrüche an Erzen. In den Münzen zu Goslar, Clausthal und Zellerfeld erfolgten die Prägungen der Harzer Münzen. (Wildemann- und Andreasthaler). Um die schweren Störungen bei zunehmender Tiefe im Grubenbetriebe, die durch Wassermangel infolge Frost und Dürre entstanden, beseitigen zu können, wurden zur ständigen Versorgung der Gruben mit Aufschlagwasser im Oberharze Wasserbecken, Oberteich, Hirschlerteich, Dammgraben usw. gebaut. Von der hannoverschen Bergbehörde wurden in den Jahren 1720–1725 Kornmagazine in Osterode, Herzberg und Goslar errichtet. Aus ihnen erhielten die Harzer Berg- und Hüttenarbeiter Brotkorn in regelmäßigen Zeitabschnitten. Einer Hungersnot, wie solche 1772 im Erzgebirge herrschte, wurde dadurch im Harze vorgebeugt. 1775 erfolgte die Gründung der Bergakademie in Clausthal.

     In den letzten Jahrzehnten gelangte der einst berühmte Erzbergbau in beiden Gebirgen mehr und mehr zur Einstellung, destomehr entfaltete sich aber die Industrie. Zunächst die Hausindustrie, aus der nach Einführung der Maschinen Großbetriebe entstanden, lieferten doch die Gebirgswasser eine billige Antriebskraft. Das Erzgebirge ist heute eines der größten deutschen Industriebetriebe.

     Die Harzer Bevölkerung ist in ihrem Volkscharakter, der Sprache, den Sitten und Gebräuchen, sowie in der bescheidenen Lebensweise mit der des Erzgebirges stammverwandt[1], Volksgebräuche und Geselligkeit, die im Erzgebirge heimisch, trifft man ebenfalls im Harze an. In beiden Gebirgen besteht eine besondere Liebhaberei für Singvögel und die Vogelstellerei mit Leimruten. Die Harzer Kanarienvogelzucht hat Weltruf. Die Berg- und Schützenfeste bildeten eine Eigenart im Volksleben des Erzgebirglers und Harzers. Fastnachtsfeier, Kirchenbesuch der Bergleute, Johannistagsfeier, Bleigießen am Andreasabend, sowie das Weihnachts- und Neujahrssingen sind alte Volksbräuche aus den Tagen des blühenden Bergbaues. Das Zitherspiel ist überall heimisch, die von Barbara Uttmann in Annaberg (1514–1575) eingeführte Spitzenklöppelkunst wird heute noch fleißig betrieben.

     Die Bewohner der Bergstädte des Oberharzes haben eine eigene Mundart, die von denen in anderen Orten des Harzes abweicht. Diese sieben Bergstädte bilden eine Sprachinsel im niedersächsischen und thüringischen Sprachgebiet. Männer der Wissenschaft haben sich eingehend mit vergleichenden Sprachstudien der beiden Gebirge befaßt. Gymnasialprofessor Haushalter in Rudolstadt erklärte 1884 in dem Schlußwort seines Forschungswerkes „Die Mundarten des Harzgebietes“ folgendes: „Es unterliegt keinem Zweifel mehr, die Oberharzer haben dieselbe Mundart, wie die Bewohner des Erzgebirges“. Die Ausdrucksweise ist, wie bei anderen Gebirgsbewohnern, kräftig, derb, aber auch herzhaft und sinnlich. Beide Gebirgsbewohner haben eine starke Heimatsliebe und ihr froher, heiterer Sinn vermag sich so recht der herrlichen Bergnatur anzupassen.

     Genealogisch ist noch zu erwähnen, daß viele Familiennamen, wie z. B. Albrecht, Aßmus, Büttner, Gärtner, Günther, Hoppstock, Hennig, Harzig, Klöppelt, Pfeiffer, Reichelt, Stelzner, Siegel, Triebel, Hartmann, Wiegand, Werner usw. heute noch ebenso zahlreich im Harze wie im Erzgebirge anzutreffen sind.


  1. Die Zuwanderung aus dem Erzgebirge kann nunmehr auch urkundlich belegt werden durch alte Einwohnerlisten in Wildemann.