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Sollte man ein solches Urrecht der Menschheit, wie das Recht auf Freude, erst beweisen und sicher stellen müssen? Es erscheint ratsam, zuerst diese Rechtsfrage aufzuwerfen. Das Recht auf Freude wird in heutiger Zeit oft genug verkannt und verkümmert. Eine Verkennung der eigentlichen Bedeutung der Freude kann selbst bei fiebrigem Verlangen und wildem Jagen nach Freude sich finden. Es gibt nicht wenige, deren gilt sie als süße Zuspeise des Lebens, als ein seltener Bissen, den man gierig hinabschlingt, wenn man seiner habhaft werden kann, als ein Trunt aus dem Champagnerkelch, den nur Reiche sich erlauben können, oder als schöne Dekoration für das Leben der Vornehmen. Manche gefallen sich darin, höchst verächtlich von der Freude zu reden – Bonbons für Kinder und Damen! – und ihr Gesicht in die Gramfalten des Weltschmerzes zu legen, um als große Geister oder welterfahrene Menschen zu gelten. Es mag auch fromme Seelen geben, welche in heiliger Einfalt in jeder Freude eine verkappte Feindin wittern, und noch viel mehr und noch viel einfältigere Weltmenschen, welchen Religion und Frömmigkeit innerlichst zuwider sind, weil sie in ihnen gedworene Feindinnen aller Freude wittern. Die Wahrheit aber ist: Die Freude ist ein Lebensfaktor und ein Lebensbedürfnis, eine Lebenskraft und ein Lebenswert.