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Die drei Spiegel.


     Schon lange ist es her, da lebte in Lautenthal ein armer Bergmann, der nicht weniger als acht Kinder hatte. Obwohl er von früh bis abends arbeitete, aiso recht fleipig war, gelang es ihm doch nicht, vorwärts zu kommen.

     Eines Tages begab sich der Bergmann nach einem Teiche, der mitten im Walde lag. Als er sich dort zwei große Bund Schilf zurecht gemacht hatte, wurde er müde; er legte sich unier einer Baum und schlief ein. Nach einem Stündchen wachte er wieder auf; da stand ein Mann vor ihm, der ihn fragte, wie es gehe. Anfänglich wollte der Bergmann nicht recht mit der Sprache heraus, da jedoch der Fremde immer zutraulicher wurde, begann ersterer ebenfalls zu sprechen; er erzählte auch, daß er sehr viel Not habe, und daß er für Frau und Kinder Brot schaffen müsse.

     „Willst du mir vertrauen,“ bemerkte der Fremde, „dann kann ich dir helfen, und du bist mit einem Male sorgenfrei.“

     „Wenn das wahr ist,“ antwortete der Bergmann, dann werde ich Euch auf den Knien danken; ich will gern alles tun, um aus meiner Not zu kommen, nur verlangt nichts Unrechtes von mir!“

     „Bewahre,“ sagte der Fremde, „das beanspruche ich nicht von dir. Vor allem aber antworte mir: „Willst du dich mir unbedingt anvertrauen?““

     „Ja, von Herzen gern, wenn Ihr es gut mit mir meint.“

     „Das versteht sich von selbst. So lege dich wieder hin und schlafe, dann wirst du sehen, wie das Glück zu dir kommt.“

     Der Bergmann, der ohnedies noch nicht recht ausgeschlafen hatte, legte sich abermals nieder und schlief ein. Als er wieder erwachte, lag er auf einem Bett von Samt und Seide, in der Stube befanden sich an den Wänden die schönsten Gerätschaften, Tische, Stühle, Spiegel und große Bilder mit Goldrahmen. Der Bergmann verwunderte sich noch über die Pracht, da traten zwei Diener an das Bett und fragten, ob der Herr gut geschlafen habe.

     „O ja,“ antwortete treuherzig der Bergmann, „aber, meine Herren, wo bin ich denn?“

     „In Venedig,“ erwiderte ehrfurchtsvoll der eine Diener.

     „In Venedig? Du lieber Himmel, wie komme ich denn hierher?“

     „Das wird der Herr schon wissen und erfahren,“ sagte der andere Diener. „Dürfen wir beim Aufstehen helfen?“

     „O nein,“ sprach lächelnd der Bergmann, „das bin ich nicht gewohnt. Ich kann schon allein aufstehen.“

     Er stieg aus dem Befte und wollte seine Sachen anziehen; die waren aber fort. Dafür zogen ihm die Diener andere, viel schönere Keider an und putzten ihn ordentlich heraus, so daß er aussah wie ein echt vornehmer Herr. Auch mußte er sich aus einem silbernen Waschbecken waschen, und der Diener reichte ihm in kristallenem Kruge Mundwasser, alles auf das feinste und beste. Der Bergmann verwunderte sich in einem fort und schüttelte mit dem Kopfe; er wußte sich nicht zu erklären, ob denn alles so in Wirklichkeit war, oder ob er mur träume.

     „Womit können wir aufwarten?“ fragten die Diener.

     Der Bergmann verlangte Essen. Schnell liefen die Diener fort; es dauerte nicht lange, so brachten sie ihm ein Frühstück, wie es besser auch der König nicht haben kann. „Na,“ dachte er, „wenn du issest, trinkst und satt wirst, dann ist es gewiß kein Traum.“ Nachdem er gegessen und getrunken hatte, wurde er leutseliger; er fragte die Diener, wo denn eigentlich ihr Herr stecke, und was er wäre? Eben wollten die Diener antworten, da trat der freundliche, liebreiche Herr herein, den der Bergmann bei Lautenthal gesehen und gesprochen, und der ihm gesagt hatte, er