Seite:Harz-Berg-Kalender 1929 063.png

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Schlachtenzorn erwachte in den Bernern; sie stürzten auf die siegenden Franzosen, als wären sie die Sieger, stellten, warfen sie von den Höhen ihrer Batterien weg in den Talgrund, stürzten dort auf sie, nahmen sie unter die Kolben, schlugen tot, was sie erreichen konnten, kaum Atem fassend, den Rest Freiburg zu.

     Stille war es in der entvölkerten Stadt geworden, die Weiber meinten und beteten daheim, öde war es auf den Straßen, Weibel jah man hin und her eilen, Neugierige ihnen nachstreichen, das Neueste zu vernehmen. Still ging’s auf den Wachen zu, besonders auf der Zeughauswache, welche hauptsächlich aus schittern Hausmannele und zähmern Studenten bestand. Unter den ersteren befand sich ein armer Weber, der im Altenberg wohnhaft war. Man kennt den Weberschlag im allgemeinen, die blaßroten oder ganz bleichen Männchen mit den schmalen Backen und dünnen Gliedern, die zittern, wenn die Bysluft geht und bei starker Wetterluft nie ohne Stecken ausgehen, aus Furcht, die Luft könnte sie entführen in fremde Lande, wo sie mit der Sprach nicht zwegkämen. Natürlich sind die üblichen Ausnahmen hier ebenfalls sorgfältig vorbehalten, denn es gibt Weber, mit denen ihrer zwei mehr als genug zu tun hätten. Unser Weber gehörte nicht zu diesen Ausnahmen. Er war ein schlotterhaftes Stadtkind; ob er je Pulver gerochen, wissen wir nicht, jedenfalls hatte er es nicht selbst abgebrannt, denn die Flinte war ihm ein durchaus unbekanntes Ding und dazu noch „e wüsti Sach“. Da die Glocken gingen, scharfe Befehle ergingen, sich einzustellen, da ward ihm sehr bange ums Herz. „Frau“, sagte er, „ich denk’, ich bleib’ da, vo wege ich umkäme, was aus unsern armen Würmern würde, und g’winnt man, so hat man mich ja nicht nötig gehabt, und verliert man, so hätte ich der Sache doch keinen anderen Schwung gegeben. Und denke, wenn ich umkäme, was aus unsern armen Würmern würde, unseren lieben Kindern.“ „Ho öppen nit viel anders, als wenn du dabliebest, am Ofen hocketest und Tee tränkest, vo wege ich wäre immer noch da, und wer sieht zu ihnen und kuranzte sie als ich. Schämst du dich nicht, daheim zu bleiben, wo die älteste Mannli laufen wie Zwanzigjährige, so schäme ich mich, ich will nicht mein Lebtag hören, was ich für einen Fösel und – zum Manne habe. Gehst du nicht, so mach’ die Hosen runter und ich will darin gehen an deinem Plake“, sagte die mannliche Frau, Verblüfft sah der Mann sie an und machte Anstalt, der Frau das Verlangte abzutreten, denn er war gewohnt, sich ihren Befehlen zu unterziehen ohne Widerrede. Jä, aber diesmal war’s nicht so gemeint. Als die Frau merkte, wie er es nahm, wäre sie erschrocken, wenn sie ihres Regimentes nicht so sicher gewesen wäre. „Was“, rief sie geistesgegenwärtig, „ich glaube gerne, du trätest mir jetzt die Hosen ab, aber ich mangle sie nicht, ich habe die schon lange. Ja, es wär dir z’rechte, wenn ich dahinten blieb im Krieg, aber so ist’s nicht g’meint; was sollte aus den Kindern werden? Jetzt machst, daß du fortkommst oder ich will dir! Ich führe dich an den Ohren in die Stadt.“

     Da machte traurig das Mannli sich auf, und seine leichten Beine wurden ihm zentnerschwer. Trotz der Frau, dachte er, wolle er machen, daß die Franzosen ihn erschössen. Wenn man dann käme und ihr sage, er sei totgeschossen, daure es sie doch; sie müsse denken, sie sei schuld daran, und das werde sie ihr Lebtag plagen. Als er aber weiter kam, dachte er: nein, das mache er nicht, das wäre ja dumm, es wäre ihr gerade das Rechte. Er wolle zu seinem Leben Sorge tragen, die müsse ihn noch länger haben. Er denke immer, weil sie so zornig werde, bekäme sie einen Schlagfluß. Dann wollte er witziger sein als das erste Mal und nicht so auf eine Hübsche, Handliche sehen, die Herrenköchin gewesen, sondern auf eine Manierliche, wo d’Sach und ds’Lebe ihm gönne. Solche häusliche Gedanken wälzte der Weber in seinem Busen, als er in den großen Krieg, wo Sein oder Nichtsein des Vaterlandes entschieden werden sollte, eilte. Der gute Weber erfuhr, was Hochmut für Früchte bringt. Er war in seiner Jugend sein üppig Bürschel gewesen, denn er verdiente schön konnte sich lustig machen und unter dem Weibervolk war er gerne gesehen, denn wenn ihn eine freundlich ansah, zahlte er Wein, sogar Bratis, das machte ihn zum Hochmut noch eitel. Das merkte sich die Herrenköchin, die gerne einen Mann hatte, sie wußte wohl warum. Sie hatte ihn alsbad gefangen und zwar so, daß er meinte, was für Gnade sie ihm antue und was für ein Glück er mache. Sie verstand das Handwerk aus dem Fundament und gehörte zu dem kecken Schlage, der Hübsch und nicht Hübsch, Alte und