Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1929 | |
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Schlachtenzorn erwachte in den Bernern; sie stürzten
auf die siegenden Franzosen, als wären sie die
Sieger, stellten, warfen sie von den Höhen ihrer
Batterien weg in den Talgrund, stürzten dort auf
sie, nahmen sie unter die Kolben, schlugen tot, was
sie erreichen konnten, kaum Atem fassend, den Rest
Freiburg zu.
Stille war es in der entvölkerten Stadt geworden,
die Weiber meinten und beteten daheim, öde war
es auf den Straßen, Weibel jah man hin und her
eilen, Neugierige ihnen nachstreichen, das Neueste
zu vernehmen. Still ging’s auf den Wachen zu,
besonders auf der Zeughauswache, welche hauptsächlich
aus schittern
Hausmannele und zähmern Studenten
bestand. Unter den ersteren befand sich ein armer
Weber, der im Altenberg wohnhaft war. Man kennt
den Weberschlag im allgemeinen, die blaßroten oder
ganz bleichen Männchen mit den schmalen Backen
und dünnen Gliedern, die zittern, wenn die Bysluft
geht und bei starker Wetterluft nie ohne Stecken
ausgehen, aus Furcht, die Luft könnte sie entführen
in fremde Lande, wo sie mit der Sprach nicht zwegkämen.
Natürlich sind die üblichen Ausnahmen hier
ebenfalls sorgfältig vorbehalten, denn es gibt Weber,
mit denen ihrer zwei mehr als genug zu tun hätten.
Unser Weber gehörte nicht zu diesen Ausnahmen. Er
war ein schlotterhaftes Stadtkind; ob er je Pulver
gerochen, wissen wir nicht, jedenfalls hatte er es nicht
selbst abgebrannt, denn die Flinte war ihm ein durchaus
unbekanntes Ding und dazu noch „e wüsti Sach“.
Da die Glocken gingen, scharfe Befehle ergingen,
sich einzustellen, da ward ihm sehr bange ums Herz.
„Frau“, sagte er, „ich denk’, ich bleib’ da, vo wege
ich umkäme, was aus unsern armen Würmern würde,
und g’winnt man, so hat man mich ja nicht nötig
gehabt, und verliert man, so hätte ich der Sache doch
keinen anderen Schwung gegeben. Und denke, wenn
ich umkäme, was aus unsern armen Würmern würde,
unseren lieben Kindern.“ „Ho öppen nit viel anders,
als wenn du dabliebest, am Ofen hocketest und Tee
tränkest, vo wege ich wäre immer noch da, und wer
sieht zu ihnen und kuranzte sie als ich. Schämst du
dich nicht, daheim zu bleiben, wo die älteste Mannli
laufen wie Zwanzigjährige, so schäme ich mich, ich
will nicht mein Lebtag hören, was ich für einen
Fösel und – zum Manne habe. Gehst du nicht, so
mach’ die Hosen runter und ich will darin gehen
an deinem Plake“, sagte die mannliche Frau, Verblüfft
sah der Mann sie an und machte Anstalt, der
Frau das Verlangte abzutreten, denn er war gewohnt,
sich ihren Befehlen zu unterziehen ohne Widerrede.
Jä, aber diesmal war’s nicht so gemeint. Als die
Frau merkte, wie er es nahm, wäre sie erschrocken,
wenn sie ihres Regimentes nicht so sicher gewesen
wäre. „Was“, rief sie geistesgegenwärtig, „ich glaube
gerne, du trätest mir jetzt die Hosen ab, aber ich
mangle sie nicht, ich habe die schon lange. Ja, es
wär dir z’rechte, wenn ich dahinten blieb im Krieg,
aber so ist’s nicht g’meint; was sollte aus den Kindern
werden? Jetzt machst, daß du fortkommst oder ich
will dir! Ich führe dich an den Ohren in die Stadt.“
Da machte traurig das Mannli sich auf, und seine leichten Beine wurden ihm zentnerschwer. Trotz der Frau, dachte er, wolle er machen, daß die Franzosen ihn erschössen. Wenn man dann käme und ihr sage, er sei totgeschossen, daure es sie doch; sie müsse denken, sie sei schuld daran, und das werde sie ihr Lebtag plagen. Als er aber weiter kam, dachte er: nein, das mache er nicht, das wäre ja dumm, es wäre ihr gerade das Rechte. Er wolle zu seinem Leben Sorge tragen, die müsse ihn noch länger haben. Er denke immer, weil sie so zornig werde, bekäme sie einen Schlagfluß. Dann wollte er witziger sein als das erste Mal und nicht so auf eine Hübsche, Handliche sehen, die Herrenköchin gewesen, sondern auf eine Manierliche, wo d’Sach und ds’Lebe ihm gönne. Solche häusliche Gedanken wälzte der Weber in seinem Busen, als er in den großen Krieg, wo Sein oder Nichtsein des Vaterlandes entschieden werden sollte, eilte. Der gute Weber erfuhr, was Hochmut für Früchte bringt. Er war in seiner Jugend sein üppig Bürschel gewesen, denn er verdiente schön konnte sich lustig machen und unter dem Weibervolk war er gerne gesehen, denn wenn ihn eine freundlich ansah, zahlte er Wein, sogar Bratis, das machte ihn zum Hochmut noch eitel. Das merkte sich die Herrenköchin, die gerne einen Mann hatte, sie wußte wohl warum. Sie hatte ihn alsbad gefangen und zwar so, daß er meinte, was für Gnade sie ihm antue und was für ein Glück er mache. Sie verstand das Handwerk aus dem Fundament und gehörte zu dem kecken Schlage, der Hübsch und nicht Hübsch, Alte und
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1929. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1928, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1929_063.png&oldid=- (Version vom 5.10.2019)