Seite:Harz-Berg-Kalender 1929 064.png

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Junge von allen Sorten um den Finger wickelt und zwar nolens volens, wie der Lateiner sagt. Dem armen Weberlein vertrieb sie bald Hochmut samt Eitelkeit, dressierte ihn, daß er pariere wie ein Schoßhündlein und sogar gerne anfangs. Später kam es ihm wohl anders, aber er konnte nichts mehr daran machen, er war in ihrer Gewalt, er vermochte nicht, wider den Stachel zu lecken. Er brütete oft über finstere Gedanken, ja er machte sogar schwarze Anschläge, die man dem schlichten Weberlein nicht zugemutet hätte; und wenn er heimkam, unter ihre Augen, so war er fertig, sie wickelte ihn um den Finger oder sagte Kusch zu ihm; er ward wieder ganz zahm und föselte lange Zeit nach ihrem Winke und Willen.

     Er gig durch die hintern Gassen, der Nähe nach, dem Sammelplake, dem Zeughause zu, weil er sich verspätet wußte, und vernahm dort, daß sein Corps längst abgezogen und es zweifelhaft sei, ob er es einhole, überdies noch gefährlich. Am besten täte er, er bliebe da, es sei ein Ehrenposten und die Wache sei schwach und es sei doch so wichtig da, denn wenn alles genommen sei, so komme es zuletzt noch an’s Zeughaus, und erst wenn die Feinde das hätten, sei alles verloren. Das gefiel ihm und er blieb. Das ist immer ein großer Trost für einen Helden, denn man kann nie wissen, was vor dem letzten noch alles sich ereignen kann. Auf der Wache sah es sehr ernsthaft aus. Essen und Trinken war da die Fülle, aber wenn einer dem andern davon anbot, hieß es gewöhnlich, man sei nicht hungrig, habe gar nicht Appetit. Mehrere horchten nach dem Schießen, ob es nahte oder weite, und allemal hellten sich die Gesichter drinnen auf, wenn es hieß, es gehe vorwärts, das Gewehrfeuer höre man nur noch ganz dünn. Zwischendurch machte man sich mit den Waffen zu schaffen, lud die Flinten, schärfte die Säbel, klopfte die Feuersteine zweg und bramarbasierte ganz nach Art der ungefiederten Helden mit denselben gewaltiglich. Der eine hatte einen Säbel, mit dem er Roß und Mann mit einem Streiche spalten wollte, der andere eine Flinte, die so weit schoß als eine Kanone; ein dritter führte Pistolen bei sich, mit denen er sich vor einem Dutzend Husaren nicht fürchte, wenn er sich gehörig verstecken könne, wo sie ihn nicht sähen. Man nahm die Waffen zur Hand, plänkelte mit denselben herum, werchete sich gewaltsam Courage in den Leib, daß es sie jeweilen ankam, wenn einer nur die Franzosen hätte, er fräße sie, gehörig gesalzen und an einer anständigen Sauce, allein. Allmählich erwärmte sich unser Weberlein an diesem Feuer, er begann sich mannlich aufzurichten; er frug nach einem Feuerstein, da er seinen in der Hitze ab seinem Schloß verloren; er schraubte ihn mit Hülfe einiger anderen sogar auf, doch schärfen wollte er ihn nicht lassen. Er begehrte nicht, daß der Schuß geschwind, ehe er recht gezielt, losgehe. Es fei ihm nicht ums Schießen, sondern ums Treffen, und wenn er auf alle hundert Schritt mit einem Schuß erschießen könnte, er tät’s, wahrhaftig er tät’s, sie erbarmten ihn wäger keis Brösmeli. Als der Feuerstein aufgepflanzt war, gingen die Kameraden ans Laden: sieh’, das wollte er lange nicht zugeben. Das sei lange frühe genug, wenn es müsse geschossen fein; so ein Schuß im G’wehr trage nichts ab, und könnte von selbst losgehen und alle erschrecken, ja sogar treffen, so sagte er.

     Unsere Soldaten wurden wieder lustig, als man das Schießen immer dumpfer hörte, ja als Fuhrleute, welche Verwundete brachten, erzählten, wie die Franzosen davonliefen, daß man ihnen auf Rossen nicht nach möchte, und wie man sie von den Bäumen herunterschieße, dutzendweise, als wären sie Eichhörnchen oder Herrenvögel. Es mußte dem Weber, gäb’ wie er zappelte, geladen sein und zwar scharf, wie sie sagten. Er solle nur sachte machen, denn wenn das losgehe, töte es alle, die es treffe, darauf könne er zählen, berichteten sie ihn. Der arme Kerl kriegte neue Angst. Denn er hatte sein Lebtag nie geschossen, war sein Lebtag nie mit einem Gewehr umgegangen.


WS: Werbung nicht transkribiert.