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ja weiß wie der Tod, das arme Mannli, und wär ja fast entronnen gewesen.“

     Es war auch Ursache genug zum Übelwerden, so mir nichts dir nichts erschossen zu werden, und nachdem man geglaubt, jetzt sei alles gewonnen. Das arme Mannli hatte keine Sprache mehr, es schlotterte, es wimmerte, es rang die Hände, mit Abscheu wies es Essen und Trinken ab; es drehte die Augen um und um, wahrscheinlich nach dem Theologen. Es wurden Anstalten gemacht zum Losen. Da schrie und weinte das Mannli gar bitterfich, und der sprach und der andere sprach: und treff’s oder treff’s mich nicht, auf den armen Teufel schieße ich nicht, schieß meinethalben wer will. „Ha, so laßt ihn laufen, was fragen doch die Franzosen danach?“ sagte der, dem lustige und ernste Worte entrannen ung’sinnet. Und wie ein elektrischer Funke fuhr es wieder durch alle: ja, laßt ihn laufen, und: „Lauf, lauf!“ rief’s wie aus einem Munde. Und das arme Mannli wollte, bleich wie der Tod, davonstürzen, aber einer, der den einen Arm in der Binde trug, erst gekommen war, hielt ihn und sagte: „Nit, so könntst du nicht zehn Schritte weit. Zieh erst den Atem recht, trink das Glas Wein aus, dann geh’ in Gottes Namen, es wird nich halb so pressieren.“ Diese Kaltblütigkeit gab Ärgernis; es ertönte wiederum wie ein Lauffeuer: „Lauf, Weber, lauf!“ und der arme Kerl lief, lief spornstraks durch die Aare, und nach langen Jahren erzählte er, wie er hätte erschossen werden sollen, wie er sich gerettet, wie er durch die Aare geschwommen und wie es ihm davon auf die Brust gekommen.

     Als der gute Leineweber aus dem Gesichte war, wandte sich der mit der Binde zu den übrigen: „Ihr seid allesamt Donnersküh, und jetzt macht,

daß ihr heimkommt, sonst will ich euch das Erschießen eintränken,“ und dazu machte er Augen wie Pflugräder. Und sie ließen das nicht zwei Mal sagen, sie liefen vielleicht heute noch, wenn ihre Beine nicht anderer Meinung gewesen wären, vergaßen im Schrecken zu fragen, ob er ein gnädiger Herr sei; sie liefen die leicht heute noch, wenn eben nicht Franzosen ringsum gewesen wären. Die waren aber nicht halb so gefährlich als man sich vorstellte. Einer von Lützelflüh wollte, trotz den Franzosen, herumlaufen, geriet beim Klösterli unter einem Trupp Husaren, die einen Wagen mit Geld aufgeschlagen hatten. „Nimm, Bauer, nimm,“ rief ein deutscher Husar ihm zu. Der nicht faul, griff zu, füllte alle Taschen. Mit dem Gedanken, jetzt wollte er des Vaters Heimwesen von Schulden erleichtern, ging er dummerweise auf der Straße fort. Oben am Berge lief er einer anderen Truppe in die Hände. Die erleichterten ihn und mit leeren Taschen kam er heim.




Mein Herz.


Heute bin ich wieder fröhlich, fröhlich,
Alle meine bangen Nächte sind vergessen.
Und als hätten Ängste nie besessen
Dieses Herz mit seinem Jubelschlag
Pocht’s und läutet ein den schönen Tag.

Herbsttag mit der klaren Morgensonne,
Mit dem letzten goldverbrämten Laube,
Noch ein Weilchen, eh es stirbt im Staube,
Läßt es seine bunten Fahnen wehn,
Sich in Farben sehn.

Herz, mein altes Herz, ich muß dich lieben,
Immer findest du dein Lachen wieder,
Singst die lieben Kindheitsmorgenlieder
Mit dem alten, hellen, tapferen Ton,
Wie vor Jahren schon.
Und so preis ich dich und deine Tugend:
Deine immer unverdroßne Jugend.

Gustav Falke.