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Mitte des 18. Jahrhunderts mehrfache Auswanderungen stattgefunden. Süd-Carolina war 1752 das Reiseziel von 126 Harzern, die von 6 Beamten in 7 Tagen von Clausthal bis Hamburg gebracht wurden. Die Kosten dafür einschließlich der Schuldenbezahlung übernahmen die öffentlichen Kassen. Denjenigen, die sich hier miteinander verlobt hatten, wurden Trauscheine ausgestellt, aber erst in Hamburg dem Kapitän ausgehändigt. Ein Prediger kam mit aufs Schiff, doch sollte die Kopulation erst vorgenommen werden, wenn das Schiff die Elbe einen Teil hinunter war.

     Die Jungfer Ruhstein, die ebenfalls mit ausgewandert war, kam 1754 nach Clausthal zurück und bezeugte, daß keiner der damals abgereisten Leute nach Süd-Carolina gekommen sei. Wegen Brotmangel wären sie alle in Philadelphia ausgestiegen und hätten dort gute Arbeit gefunden; allen ginge es gut, was auch durch die mitgebrachten Briefe bestätigt wurde.

     Wie schon angedeutet, sah die Bergbehörde in dieser Zeit die Auswanderung gern, denn es waren hier Bergleute überflüssig, und der Bergbau konnte sie nicht alle ernähren. Deshalb wurden auch die Reisekosten bewilligt und die Schulden bezahlt. Im Jahre 1753 werden 107 und im folgenden Jahre 12 Personen genannt, die vom Harz nach Pennsylvanien bzw. Süd-Carolina auswanden wollten und 1756 war Kapitän Parisch selbst hier, um 60–70 Personen nach Philadelphia anzuwerben.

     Von großem Interesse ist ferner die Auswanderung der Harzer nach den preußischen Kolonien bei Writzen an der Oder, wo Friedrich der Große nach dem 2. Schlesischen Kriege das Bruch entwässern ließ und über 1.200 deutsche Familien in 43 neu angelegten Dörfern ansiedelte. Im Jahre 1755/56 zogen von St. Andreasberg 47 Personen, meist ledige Burschen und Mädchen, nach Neukietz bei Writzen, weil sie in der Heimat keine Arbeit bekommen und ihr Brot nicht verdienen konnten. Eine andere Ursache war, daß die jungen Leute nicht wie sie wünschten, sich verheiraten durften. Den Heiratskonsenz erhielten sie erst, wenn sie nachweisen konnten, daß sie wöchentlich 2 Taler verdienten. Dagegen wurden sie, wenn sie sich anwerben ließen und mit ihrem Mädchen nach Magdeburg kamen, sofort ohne Umstände kopuliert.

     In Neukietz wurde einem jeden Ehepaare ein Haus nebst einigen Morgen Land zu Acker, Wiesen und Gärten, die sie aber erst urbar machen mußten, unentgeltlich überwiesen. Sie erhielten Wirtschaftskapitalien zu einem geringen Zinsfuß vorgestreckt und waren auf 15 Jahre steuer- und wehrfrei. Die Männer verdienten im Sommer bei einem an der Oder zu bauenden Damme und im Winter mit Rohrichneiden auf der Oder einen guten Lohn, während die Frauen mit Spitzen-Knüppeln (Klöppeln) die Einnahmen des Mannes vermehrten.

     Die Berghauptmannschaft verfügte, daß die etwa Zurückgekehrten unter keinen Umständen wieder zur Arbeit angenommen werden sollten. Dies wurde in allen Zechenhäusern, Wirtshäusern und im Rathause öffentich angeschlagen.

     In den Jahren 1754–1758 gingen über 20 Harzer Bergleute nach Spanien in die Quecksilber-Bergwerke in Almaden, einige auch nach Rouen in der Normandie und noch andere nach Stade, Hameln und Münster, während viele Kriegsdienste annahmen. Dann folgten Abgaben von Bergleuten 1762 nach Hildesheim und Wolfenbüttel und 1768 nach Silberberg in Schlesien. Im Jahre 1800 wollte das Oberbergamt zu Breslau wieder 50 Häuer für Oberschlesien und 40 Förderleute für Niederschlesien haben, doch stellten sich nur 35 Harzer ein, die in Kupferberg, Waldenburg und Tarnowitz Arbeit fanden. Manche kehrten in den folgenden Jahren wieder in die Heimat zurück. Wegen Arbeitsmangel im Bergbau wurden im Juli 1817 zu Festungsbauten nach Minden 100 Mann und nach Erfurt 200 Mann abgegeben, die aber nach 7–10 Tagen sämtlich zurückkehrten, weil der Verdienst dort geringer gewesen, als sie ihn zum Lebensunterhalt bedurften. Sie wurden nun zu Chausseebauten in verschiedenen Teilen des hannoverschen Landes beordert, was hier nur kurz erwähnt werden soll. Fast alle kehrten schließlich nach dem Harze zurück.

     Vom Jahre 1820 ab begann wieder die überseeischen Auswanderungen, denen sich in der Folge recht viele angeschlossen haben. Das Reiseziel war zuerst Mexiko mit seinen reichen Silbergruben, die von englischen Unternehmern ausgebeutet wurden, dann aber vorwiegend Brasilien, welches sich wegen seines gesunden Klimas und seiner wohlfeilen Lebensmittelpreise ganz besonders zu Bergwerks-Unternehmungen für Ausländer eignete.

     Nach Mexiko erfolgte 1826 von Hamburg aus die Abreise der Berg-, Poch- und Hüttenleute, die 1825 auf dem Harze angeworben waren; die Überfahrt nach Vera Crux dauerte 53 Tage. Auch 1827 gingen viele dorthin und stellten sich in die Dienste der Berg- und Hüttenwerke der Mexikanischen Bergwerks-Gesellschaft in St. Ana-Hütte in der Sierra von Daxaca. Einige von ihnen nahmen in Mexiko höhere Beamten-Stellungen ein, wie der Oberberghauptmann von Uslar, der General-Direktor E. Harkot[WS 1] und der Oberhütten-Direktor K. Bönig, ein Sohn des Bergphysikus Dr. Bönig in Zellerfeld.

     In diesen Jahren wanderten auch zahlreiche Berg- und Hüttenleute, zum Teil mit ihren Familien, nach Brasilien aus, wo neue Bergwerke unter englischen Gesellschaften entstanden waren. Sie wurden in den Bergwerksbetrieb der Provinz Minas Geraes eingeführt

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vorletzter Buchstabe nicht entzifferbar