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gezogen gegen den schlafenden Holophernes. Da steht sie, eine reitzende Gestalt, an der eben überschrittenen Grenze der Jungfräulichkeit, ganz gottrein und doch weltbefleckt, wie eine entweihte Hostie. Ihr Kopf ist wunderbar anmuthig und unheimlich liebenswürdig; schwarze Locken, wie kurze Schlangen, die nicht herabflattern, sondern sich bäumen, furchtbar graziös. Das Gesicht ist etwas beschattet, und süße Wildheit, düstere Holdseligkeit und sentimentaler Grimm rieselt durch die edlen Züge der tödtlichen Schönen. Besonders in ihrem Auge funkelt süße Grausamkeit und die Lüsternheit der Rache; denn sie hat auch den eignen beleidigten Leib zu rächen an dem häßlichen Heiden. In der That, dieser ist nicht sonderlich liebreitzend, aber im Grunde scheint er doch ein bon enfant zu seyn. Er schläft so gutmüthig in der Nachwonne seiner Beseligung; er schnarcht vielleicht, oder, wie Luise sagt, er schläft laut; seine Lippen bewegen sich noch, als wenn sie küßten; er lag noch eben im

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Heinrich Heine: Der Salon. Erster Band. Hoffmann und Campe, Hamburg 1834, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Der_Salon_1.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)