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Viel Balsamduft aus Kräutern rinnt,
Die Lüfte wehen lieb und lind;

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Und alles schimmert, alles lacht,

Und zeigt mir freundlich seine Pracht.

Inmitten in dem Blumenland
Ein klarer Marmorbronnen stand;
Da schaut’ ich eine schöne Maid,

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Die emsig wusch ein weißes Kleid.


Die Wänglein süß, die Aeuglein mild,
Ein blondgelocktes Heil’genbild;
Und wie ich schau, die Maid ich fand
So fremd und doch so wohlbekannt.

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Die schöne Maid beeilt sich sehr,

Sie summt ein seltsam Liedchen her:
 „Rinne, rinne Wässerlein,
 Wasche, wasche Hemde rein.“

Ich kam und nahete mich ihr,

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Und flüsterte: O sage mir,

Du wunderschöne, süße Maid,
Für wen ist dieses weiße Kleid?

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Gedichte. Maurersche Buchhandlung, Berlin 1822, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Gedichte_1822_004.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)