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O Madonna! deine Augen
Leuchten mir wie Sternenlichter;

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Lebensschifflein treibet irre,

Sternlein leiten ewig sicher.

O Madonna! sonder Wanken
Trug ich deine Schmerzenprüfung,
Frommer Minne blind vertrauend,

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Nur in deinen Gluten glühend.


O Madonna! hör mich heute,
Gnadenvolle, Wunderreiche,
Spende mir ein Huldeszeichen,
Nur ein leises Huldeszeichen.

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Da thät sich ein schauerlich Wunder bekunden,

Wald und Kapell sind auf einmahl verschwunden;
Knabe nicht wußte wie ihm geschehn,
Hat Alles auf einmahl umwandelt gesehn.

Und staunend stand er im schmucken Saale,

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Da saß Madonna, doch ohne Stralen;

Sie hat sich verwandelt in liebliche Maid,
Und grüßet und lächelt mit kindlicher Freud’.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Gedichte. Maurersche Buchhandlung, Berlin 1822, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heine_Gedichte_1822_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)