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„Ist aber nicht schick,“ strafte mich die Tante. „Ich will die Bluse für das Zoologische-Garten-Konzert; Frau Bender soll die Platze kriegen,“ lachte sie hämisch.

Jetzt kam es heraus; die Tante wollte eine seidene Bluse bzw. den Stoff dazu.

„Da müssen Sie sich nach unten bemühen, dort rechts vom Haupteingang, etwa vierzig Minuten weit, ist die Seidenabteilung,“ klärte man sie auf. „Dort ist der Aufzug.“ Sie begann von der 150 Meter hohen Vierten-Etagen-Treppe den mühevollen Abstieg. Das Seil konnte reißen und der Abzug herunterrasen und zerschmettern. Das war auch so eine Legende, die die Tante bewog, das gefährliche Vehikel nicht zu benutzen.

Ich sagte leise das kleine Einmaleins auf und berechnete aus dem Wachsen meines Bartes, wie lange wir uns bereits hier in dem Warenhause befanden. Durch das Treppensteigen bekam ich ein müdes Gefühl in den Kniekehlen, wie wenn ich dreimal hintereinander das Matterhorn bestiegen hätte, ein Klavier mit Lehrer im Rucksack.

Tante Dorchen war von der stillen Resignation eines Menschen, der weiß, was er will.

Ich war so zerstreut, daß ich der blondlockigen Verkäuferin der Parfümerieabteilung, wo ich immer meine Seife kaufte, in Gedanken auf das Ohrläppchen küßte.

„Seide dort, Blusenseide dort,“ zeigte ein anderer Herr Markuse, der Cohn genannt wurde, auf eine lange Reihe Theken, hinter welchen himmelhohe Regale standen, wie in einer Bibliothek. Die Fächer waren angefüllt mit Stößen von flachen Paketen. Zwischen den Regalen und den Theken waren Fräuleins in Schwarz, nette und weniger

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Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/045&oldid=- (Version vom 1.8.2018)